Einmal Shanghai und zurück
Montag, 6. Juli 2015
Von schönen Geishas, bequemen Yukatas und geheimnisvollen Kabukitheatern
門前の小僧習わぬ経を読む。(Mon zen no kozō narawanu kyō wo yomu) Literally: An apprentice near a temple will recite the scriptures untaught.

Kinkaku-ji
Der vergoldete Kinkaku-ji in Kyoto, der Stadt der 1000 Tempel

So lautete das Zitat, mit dem ich meinen ersten Moments-Eintrag zu dieser Asienreise bei WeChat, einem hier beliebten Messenger, einleitete. Eigentlich war es ja nicht sehr überraschend, dass der jeweilige Entwicklungsstand auch den Charakter und die Verhaltensweisen der in China und Japan lebenden Menschen so unterschiedlich zu prägen scheint, aber so begeistert war ich zunächst von der Ordnung, Sauberkeit und Höflichkeit im Land, dass ich am liebsten gleich meine Koffer gepackt und sie statt nach Deutschland nach Japan geschickt hätte. Dass es sich lohnt, doch erst einmal hinter die Kulissen zu schauen, bevor man die Spedition beauftragt, hat auch dieser Urlaub wieder bewiesen - aber nun erst einmal zurück zum Anfang.


Kimonoträger in Arashiyama, Kyoto

Es begann damit, dass mich meine chinesische Tandempartnerin Hye Yeong, deren Großeltern von Südkorea nach China emigrierten (was an dieser Stelle eure Verwunderung über den wenig chinesischen Namen erklären sollte), vor ein paar Monaten fragte, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr eine Reise zu machen - sie habe eine Freundin in Osaka, die sich sehr freuen würde über unseren Besuch. Natürlich sagte ich sofort ja - und schuf damit die Grundlage für meine einzige ordentlich geplante Reise hier in Asien. Wir überlegten uns nicht nur die Route vor Reiseantritt, sondern buchten auch die Hotels außerhalb Osakas alle vorab. Wie sich das gelohnt hatte, zeigte sich spätestens dann, als wir das erste der schönen, im traditionell japanischen Stil gehaltenen Hotels betraten und die Hausschuhe direkt vor die Füße gestellt bekamen. Schließlich wurde in diesem Land auf alles geachtet: Der nachmittägliche Tee wurde uns komplett mit Küchlein an die Zimmertür gebracht, wir bekamen Yukatas (eine alltagstaugliche Version des Kimonos) für das hoteleigene Bad und ließen uns in unserem Separee in Arima Onsen mit einem überaus reichhaltigen (und leider für meinen Geschmack etwas zu fischigen) japanischen Frühstück verwöhnen. Unvergesslich bleiben mir auch die landestypischen Toiletten, die gleich mit verschiedenen Wärm-, Spül- und Reinigungsfunktionen daherkommen, sodass man das stille Örtlein gar nicht mehr verlassen möchte.

Nissho Besso
Das Nissho Besso in Kyoto - auch auf Tatamimatten lässt es sich hervorragend schlafen und ...

Im Yukata
... zu Fotositzungen im Yukata laden, vorausgesetzt natürlich, man hat eine Selfiestange!

Dabei hat Japan so viel mehr zu bieten als vorgewärmte Toilettensitze, und vor allem in kulinarischer Hinsicht gibt es für uns Westler über das uns bekannte Sushi hinaus einiges zu entdecken. Nicht nur unter Kindern sehr beliebt ist zum Beispiel das Matcha-Eis, das aus Grünteepulver hergestellt wird. Die Geschmacksrichtung taucht dann auch gerne in sämtlichen anderen Süßspeisen wieder auf, ich denke zum Beispiel an Matcha-Käsekuchen und Matcha-Eistee. Neben Ramen konnte ich mich auch für die einfachen Udon-Nudeln erwärmen, die in einer Suppe gereicht werden. Die fahlen Soba werden mich wohl für immer kalt lassen, aber das macht ja nichts. Schließlich gab es noch so viel mehr zu probieren, wie die großen japanischen Pfannkuchen, Hotpot und Kaiseki, ein mehrgängiges Menü, bei dem vor allem Suppe, Fisch und Gemüse gereicht werden und natürlich kein Wunsch offen bleibt, es sei denn der nach etwas Vertrautem.

In Kyoto
Kaiseki, ein japanisches Mehrgangmenü

Über die kulturelle Seite des Landes lernte ich sehr viel im bezaubernden Kyoto, in dem wir gemeinsam mit in Kimonos gehüllten chinesischen Touristen einen Tempel nach dem anderen erkundeten und unsere Kellen, die so Schönes wie Glück, Reichtum oder Gesundheit versprachen, in geheimnisvolle Quellen tauchten. Wie schön war es zu sehen, wie in diesem Land - ganz anders als in Shanghai, in dem alles Alte dem Erdboden gleich gemacht wird - Tradition und Moderne nebeneinander weiterbestehen. Als stolze Teilnehmerin eines Interviews mit japanischen Schülern verlieh ich dann selbstverständlich meiner Begeisterung und Entzückung über dies so gut Ausdruck, wie es in Einwortantworten eben möglich ist. Denn dass die Japaner wirklich kaum Englisch sprechen, das hatte ich längst erfahren. Auf die Frage, ob ich Kanji, die japanischen Schriftzeichen, lesen könne, war meine Antwort dann auch ein beschämtes "Nein".

Da ich im Rahmen meiner Examensarbeit schon so viel darüber gehört hatte, freute ich mich nun, nachdem ich bereits in die anmutigen Tänze der Geishas eingeführt worden war, besonders auf den Besuch eines japanischen Theaters. Bei meinem Eintreffen im Foyer war ich dann zwar kaum auf die vierstündige Vorstellung vorbereitet, die mich erwarten sollte, ich verließ aber auch erst nach stolzen 45 Minuten den Theatersaal. Der Gedanke, dass Menschen tatsächlich einen ganzen Nachmittag im Theater verbringen, um dem Darstellenden Spiel zu frönen, ließ mich den restlichen Nachmittag lang glücklich auf den in Beton gegossenen Pfaden Osakas umherwandeln.


Motive und Figuren des Kabukitheaters haben auch die Mangaszene des Landes beeinflusst.

So verbrachte ich die letzten zwei verregneten Tage in dem charmelosen Osaka und dem hübschen Nara. Schon am vorletzten Tag hatte sich Hye Yeong von mir getrennt, weil ich durch meinen nach spätestens zwei Stunden einsetzenden Unmut ihre Shoppingodysseen gefährdete, und mir war plötzlich nicht nur klar, warum sie von Beginn an bei dem Flugunternehmen 10 kg zu ihrem Rückreisekoffer hinzugebucht hatte, sondern auch, warum Japan die Einreisebestimmungen für chinesische Besucher so sehr gelockert hatte. Ich hatte jedenfalls besseres zu tun, als mir in riesigen Kaufhäusern die Zeit zu vertreiben, und machte mich alleine auf Erkundungstour, am Ende heilfroh, nicht von einem der auf den Straßen Naras herumlaufenden, eigentlich so niedlichen Rehe in den Po gebissen worden zu sein.

雨降って地固まる (ame futte chi katamaru) Literally: after the rain, earth hardens


In Nara begegnet man auf der Straße Rehen - aber Vorsicht Beißgefahr, wenn man sie nicht mit Leckereien füttert!

Schlussendlich bereute ich es doch nicht, nicht voreilig schon meine Päckchen nach Japan geschickt zu haben, denn in einem Land, in dem es werktags eines gesonderten Frauenwagens in der U-Bahn und einer Regelung zum Verbot von freitäglichen Überstunden bedarf, würde sich mein inneres Faultier nur schwerlich dauerhaft niederlassen können. Und so machte ich mich mit nicht wenigen neuen Erkenntnissen in der Tasche das vorletzte Mal auf die Rückreise ins trotz seiner Fassadenhaftigkeit so authentische Shanghai. In der Hoffnung, auch für euch den Schleier Asiens wieder etwas gelüftet zu haben, grüße ich euch aus meiner von sommerlicher Feuchtigkeit vernebelten Wohnung in China! 下​次见​ Xià cì jiàn!


Quelle der japanischen Redewendungen: http://www.linguanaut.com/japanese_sayings.htm

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Samstag, 23. Mai 2015
Glücklicherweise Vietnam
Seid gegrüßt, ihr treuen Leser meines vernachlässigten Blogs,
aber nein, ich bin mit 60 Zuhörern noch nicht unter die chinesischen Radiostars gegangen! Vielmehr sind es mal mehr, mal weniger widrige Umstände, die mich von der Pflege dieses Blogs abhalten, darunter die immer weiter um sich greifende Internetzensur, die mich dazu zwingt, das erste Mal meine Fotos tatsächlich von der Schule aus einzustellen, Karos Besuch in Shanghai, wiederholte Handyunglücke, ausgedehnte Brillenmarktbesuche, erste Akupunkturstudien und manchmal dann auch eine Kombination von mehreren Faktoren. Aber bevor wir unseren optimistischen Blick wieder gen Zukunft wenden, bin ich euch natürlich noch etwas schuldig, nämlich meinen Vietnamreisebericht.


Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden des Landes

Denn in diesen Frühlingsferien machten wir uns wieder einmal auf den Weg nach Südostasien, um im bezaubernden Vietnam zu landen. Glücklicherweise war ich hartnäckig geblieben und hatte Vincent davon überzeugen können, noch ein letztes Mal als Bittsteller bei seinem Arbeitgeber aufzutreten und einen weiteren Urlaub zu beantragen. Am Tag unserer Abreise setzten wir uns dann zusammen und entwarfen einen Reiseplan, der wie folgt aussah: Zuerst würden wir die nach dem ehemaligen Präsidenten benannte Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden des Landes besuchen, um anschließend in Zentralvietnam Hue und Hoi An zu erkunden und unsere Reise in der Landeshauptstadt Hanoi zu beschließen. Überrascht über die für dieses kleine Land erstaunlichen Entfernungen buchten wir noch schnell einen Zwischenflug nach Hue. So weit so gut.


Manchen von euch ist Ho-Chi-Minh-Stadt als Saigon bekannt. Sie bekam ihren neuen Namen im Jahr 1976 zur Wiedervereinigung des Nordens mit dem Süden.

Besser vorbereitet als eh und je landeten wir also in der Stadt mit dem wunderschönen alten Namen Saigon und hatten zunächst mit der Akklimatisierung zu kämpfen. Wie recht hatten hier ausnahmsweise einmal die Wetterprogramme auf unseren Handys: 36, gefühlte 42 Grad Celsius. Wir schlichen durch das modern-industrielle Zentrum der Republik und ließen uns trotz Hitze nicht davon abhalten, von den raffinierten Tunneln und Folterfallen zu Cu Chi, in denen sich vietnamesische Kämpfer im Zweiten Weltkrieg versteckt hielten, und im Kriegsopfermuseum von der bewegten Geschichte des Vietnamkrieges und seiner Folgen beeindrucken zu lassen. Dass amerikanische Panzer viele Ecken des schönen Landes schmücken, scheint symptomatisch zu sein für die immer noch anhaltende Kriegsbereitschaft der Bevölkerung, wie sie uns später ein in Hue als Kellner arbeitender Student erläuterte. Heute ist der gemeinsame Feind allerdings kein westliches Land mehr, sondern, welch Überraschung, die Volksrepublik China. Im Bewusstsein, dass die Propaganda im kommunistischen Vietnam dieses Bild forciert, erläuterte uns der gebildete junge Mann die Bedrohung, die an der Nordgrenze des Landes und im Südchinesischen Meer von den expansionsbegierigen Nachbarn ausgehe. Befremdet von solch starken Ressentiments gegenüber den auf uns stets recht tollpatschig und unorganisiert wirkenden Chinesen, traten wir den Weg nach Hoi An an, eine touristische Stadt im Herzen des Vietnams, deren Besuch uns vorab wärmstens empfohlen worden war.

Königlicher Palast in Hue
Der königliche Palast in Hue


Der Verkehr ist nicht nur in Hue gewöhnungsbedürftig.

Unsere Herzen erweichen konnte die Stadt dann weniger als unsere entzückenden Gastgeber es taten, die den im Vietnam weit verbreiteten Traum Amerika zu leben scheinen. Um dies näher zu erklären, seien die Lebensumstände der Hotelbesitzerin erklärt: Diese hat nämlich zwei Kinder, die sie beide in den Staaten zur Schule schickt. Die Aussichten auf eine vielversprechende Zukunft trösten die Mutter darüber hinweg, dass sie auch in Zukunft ihre Mädchen nur einmal im Jahr sehen wird, denn diese werden wohl nicht in den Vietnam mit seinen Niedriglöhnen zurückkehren. Diese Frau war es dann auch, die uns lehrte, dass es die Lebensphilosophie vieler Vietnamesen sei, ihre Kraft aus einer optimistischen Lebenshaltung zu schöpfen („We are just happy!“), auch wenn sie zum Teil unter vergleichsweise schlechteren Bedingungen leben und arbeiten. Und tatsächlich, die Wärme und lebensbejahende Einstellung der Vietnamesen spürt man an jeder Ecke des Landes.

Ho Chi Minh-Mausoleum
Das Ho Chi Minh-Mausoleum in Hanoi

Und schon war die letzte Etappe unserer Reise angebrochen. Nachdem wir schmerzlich gelernt hatten, dass man im Vietnam besser in einer Garküche als in einem schicken Restaurant isst, wenn man seinen Urlaub voll ausschöpfen will, genossen wir schließlich noch unser kulinarisches Highlight, ein ganz traditionell zubereitetes Pho Bo (Nudelsuppe mit Rindfleisch und Kräutern), in Hanoi, das wir nach zwölfstündiger Zugfahrt erreicht hatten. Wie erstaunlich war es, dass, während wir uns ein Expat-Leben in Ho-Chi-Minh-Stadt noch gut hätten vorstellen können, wir uns schnell einig waren, dass Hanoi zwar wirklich eine Reise wert, aber doch eindeutig viel zu laut, chaotisch und voll für uns ist. Am Ende freuten wir uns richtig auf das von leisen Elektrorollern befahrene Shanghai.


Ein Altar im königlichen Palast von Hue

Und hier sitze ich nun wieder auf meiner Couch, gespannt den letzten acht Wochen, die mir hier verbleiben, entgegensehend. Die Zeit reicht gerade noch für mein letztes Projekt hier, nämlich, dem Rat meines Akupunkturarztes folgend, ein Stück vietnamesische Seele in mir zu finden und ohne Anfälle von Melancholie einfach happy zu sein. Viel Glück wünsche ich natürlich auch euch!

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Samstag, 7. März 2015
Von paradiesischem Chaos und optimistischen Philippinos
Liebe Freunde dieses Blogs,
ist es eigentlich manchmal schöner, über meine Asienabenteuer zu lesen, während ihr auf eurer gemütlichen Couch einen leckeren Kaffee schlürft, als sie selbst zu erleben? Vielleicht wird euch dieses Gefühl spätestens dann beschleichen, wenn ich euch berichte, was Vincent und ich in unserem letzten Urlaub erleben sollten, der, nun ja, besser hätte geplant sein können, als er es war - aber ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen. Dieses Mal führte uns unsere Reise in den Inselstaat der Philippinen im westlichen Pazifischen Ozean und an die traumhaften Strände von Palawan, ein im Südwesten der Inselgruppe gelegenes Naturparadies.



Zunächst war wenig klar, wie wir diese weitere unserer die Umwelt belastenden Reisen angehen und welche der 7107 Inseln der Philippinen wir nun eigentlich besuchen wollten. Beim Lesen der Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes wurde es uns angst und bange, denn für terroristische Übergriffe und Entführungen fühlten wir uns trotz unserer Abenteuerlust nicht gewappnet. Als unsere Recherchen dann ergaben, dass diese vor allem chinesische Touristen beträfen, da China zurzeit mit den Philippinen im Clinch um eine Insel im Südchinesischen Meer liegt, freuten wir uns sogar über unsere Entscheidung, in der so genannten "Golden Week" um das chinesische Neujahr, in der alle Chinesen gleichzeitig ihren Urlaub genießen, in ein für unsere Landesfreunde eher unattraktives Land zu reisen. Wir buchten einen Anschlussflug nach Palawan und machten uns auf den Weg Richtung Sonne.



Tatsächlich trafen wir recht wenige chinesische Reisende, weder während unserer sechsstündigen Wartezeit am Flughafen von Manila, der Hauptstadt der Philippinen, noch auf Palawan selbst, dessen Schönheit wir bei unserer Ankunft nur bedingt genießen konnten, denn nicht nur wirkten die Strapazen der langen Anreise nach, auch der Strand in der Nähe unseres blumigen Hostels in Puerto Princesa schien ein auf die Bedürfnisse Pauschalreisender abgestimmter Ort zu sein, der nicht mit dem Meer, sondern dem daneben angebauten Pool glänzte. Nicht einmal das Essen trug zum Heben unserer Stimmung bei, sodass uns die am nächsten Tag anstehende Weiterreise nach El Nido herzlich willkommen war.



Nach sechsstündiger Fahrt erreichten wir dann das nördliche Ende der Insel und freuten uns auf das Hostel am Strand, in dem wir uns als einem der letzten am Tag zuvor einen Platz zum Schlafen reserviert hatten, zumindest dachten wir das. Die Blicke des Hostelpersonals bei unserer Ankunft sagten etwas anderes, und tatsächlich wurden wir wenig später in ein weiteres, direkt am Strand liegendes Hostel verfrachtet. Statt der uns versprochenen Honeymoon Suite bekamen wir nun ein faulig riechendes, dunkles Zimmer mit dreckigem Bad ohne Dusche vorgesetzt, hatten aber dank unserer sorgfältigen Reiseplanung keine andere Wahl, als uns auf dieses neue Heim einzulassen. Glücklicherweise würden wir ja am nächsten Tag in ein anderes Bungalow des Hotels umziehen können, das uns mit einem Balkon zum Strand beglückte, wenn die Dusche auch weiterhin wenn überhaupt nur kaltes und oft braunes Wasser ausspucken sollte. Irgendwie erleichtert, noch eine Unterkunft ergattert zu haben, machten wir uns auf den Weg ins Zentrum El Nidos, denn wir hatten Hunger und brauchten Geld, um unsere weiteren Abenteuer zu finanzieren.



Wie erstaunt wir darüber waren, dass es an diesem touristischen Zipfel Palawans keine Geldautomaten zu geben schien und schlecht organisierte Reisende auf die Tankstelle des Ortes angewiesen waren, die angeblich jeden Tag zwischen zwei und vier Uhr Auszahlungen vornehme, selbstverständlich gegen eine "kleine" Gebühr, könnt ihr euch vielleicht vorstellen. Und selbst verzweifelte Heulkrämpfe vermochten nichts daran zu ändern, dass wir zu spät dran waren für unseren rettenden Strohhalm. Wir machten uns also, wenigstens einer einen kühlen Kopf bewahrend, auf den Rückweg und hielten tapfer in jedem Restaurant und Hotel Einzug, das Visakarten akzeptierte, um einen lukrativen Handel vorzuschlagen. Da sich niemand auf das Geschäft einließ, sagten wir unsere Inseltour für den nächsten Tag ab und genossen mit zwar leerem Magen, aber ein paar auf Pump besorgten Bieren den Abend am Strand. Schließlich waren wir guter Hoffnung, trotz unserer Versäumnisse, den Reiseführer vorbereitend studiert zu haben, doch noch einen Teil unseres Urlaubs in El Nido verbringen zu können. Immerhin war, wie sich später herausstellte, das philippinische Bier besser als das lokale Essen.



Natürlich standen wir am nächsten Tag mehr als rechtzeitig an der Kasse der Tankstelle, um zu erfahren, dass an diesem Tag keine Auszahlungen gemacht werden könnten, da alles Bargeld bereits in die Begleichung der Rechnungen geflossen sei. So sei das nun mal! Als wir uns anschließend alle Restaurants und Hotels vornahmen, die wir am Tag zuvor ausgelassen hatten, bekamen wir just in dem Moment, in dem ich schon aufgeben und die Heimreise antreten wollte, einen heißen Tipp: Wir sollten zum April Shop gehen, dort nach Amy fragen und sagen, Maymay schicke uns. Vergessen war schnell, dass wir uns bei der Ausführung des Auftrages vorkamen wie zwei Drogenabhängige auf der Suche nach der illegalen Substanz Bargeld, denn wie erleichtert waren wir am Ende, einen Batzen Scheine in der Hand zu halten, der uns durch die nächsten Tage bringen sollte. Noch high von diesen Erlebnissen ließen wir es uns am Abend dann so richtig schmecken.

Warum es immer so lange dauert, von den unangenehmen Vorfällen zu berichten? Natürlich weil das Schöne im Gegensatz dazu irgendwie langweilig erscheint. Und so bleibe ich auch hier meiner Linie treu und erzähle euch noch von unserer Inseltour, die wir mit Royal unternahmen, einem Strandnachbarn. Hier balanciere ich auf dem Boot, das uns auf diesem Ausflug begleiten sollte:



Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war, dass der Motor des hübschen Valric nicht mehr ganz so gut in Schuss war und es zweieinhalb Stunden dauern würde, den Hafen von El Nido zu verlassen. Aber was sollte es, wir hatten ja Zeit und später einen menschenleeren Traumstrand für neu erlernte, ansatzweise athletische Yogaposen, die es leider schließlich nicht unter die Top 3 für diesen Artikel geschafft haben, weil athletisch leider nicht immer gleich ästhetisch ist. Nach einem leckeren, von Royal selbst gekochten Mittagessen kam die Abfahrt zur blauen Lagune viel zu schnell – oder besser der Ruf zum Aufbruch, denn es dauerte wieder eine halbe Stunde, bis der Motor gestartet und das Boot auf dem Weg war. Dass die Lagune schon unser letzter Stopp wurde, obgleich ursprünglich noch drei weitere Stationen geplant gewesen waren, lag dann, ihr könnt es euch denken, daran, dass wir eine Stunde lang versuchten, uns ohne laufenden Motor mit Hilfe der Fahrer anderer Boote aus der Lagune wieder hinaus zu manövrieren. Dies war das Ende von Vincents und meiner Geduld, und wie recht wir damit gehabt hatten, nun den Heimweg anzutreten, wurde auf dem Rückweg von einem lauten Knall untermauert, bei dem sich das Antriebsrad vom Motor löste und mit voller Wucht in die Luft geschleudert wurde. Selbst Royal und sein Begleiter waren kurz erschrocken, erlangten aber kichernd schnell ihre Fassung wieder und lenkten das Boot zurück in den Hafen El Nidos. Dass ich von all dem nichts mitbekommen hatte, war dem klugen Vincent zu verdanken, der wohl um den ruhigen Ausklang unseres letzten Tages in El Nido fürchtete. Und recht hatte er.

Unsere Zufluchtsstätte

Mittlerweile hatte das Jahr des Schafes also etwas durchwachsen begonnen, und dass unser Rückflug über Hongkong uns durch ein großes Unwetter führte, bei dem selbst Vincent das Herz auf Grundeis ging, könnten abergläubische Zeitgenossen nun leicht darauf zurückführen, dass das Jahr des eigenen Tierzeichens kein Gutes ist. Erst heute habe ich selbst mich von diesem Aberglauben befreit und den roten BH, der mich vor dem Bösen beschützen soll, endlich in die Wäsche gelegt, denn im Grunde sollten wir uns alle eine Scheibe von den Philippinos abschneiden und optimistisch durch’s Leben gehen. Ein glückliches Jahr des Schafes wünscht eure sicher gestrandete Bloggerin! Namaste!

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Donnerstag, 8. Januar 2015
Die zwei Seiten Kambodschas - The Land of Plenty and Nothing
Soo-a s’day und ein frohes neues Jahr, liebe Freunde,
lange habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich meine letzte Reise für euch in Worte fassen kann, denn sie war als mein erster Besuch in einem Entwicklungsland für mich mit vielen Emotionen verbunden: der Bewunderung für die fantastischen Tempel von Angkor, dem Entzücken über die schönsten Strände, die ich bisher gesehen habe, dem Erschrecken über den Genozid unter Pol Pot als Ministerpräsident der Roten Khmer, aber auch der Wut und Trauer über die Armut und Lebensumstände der Bevölkerung. Ihr werdet meine Faszination mit diesem Land auch leicht an der Vielzahl der Fotos ablesen können, die ich in meinem Übereifer in den Bildordner gestellt habe und hier nicht alle für euch einbinden kann. Aber nun taucht mit mir ein in diese mystische Welt des kleinen Königreichs Kambodscha, das die so freundlichen Khmer beheimatet.


Tuktuks und Roller erfreuen sich in Kambodscha größter Beliebtheit, Helme dagegen weniger

Unsere Reise nahm ihren Ausgang in Phnom Penh (ausgesprochen „Nom Pen“), der mit 1,5 Millionen Einwohnern kleinen, aber äußerst geschäftigen Hauptstadt des Landes, das selbst nur etwa 14 Millionen Menschen beherbergt. Da der Tourismus eine Branche ist, in der sich in Kambodscha ein wenig Geld verdienen lässt, sprechen viele Khmer Englisch (obgleich sie es viel schlechter verstehen, wie sich herausstellte). Dabei haben sich die meisten als Autodidakten das selbst angeeignet, was unsereiner durchschnittlich nach neunjähriger Schulausbildung zu Stande bringt. Noch etwas anderes haben die Khmer uns Westlern voraus, denn wie nett zum Beispiel die Rikschafahrer auch dann noch sind, wenn man ihr Angebot „You want tuktuk?“ höflich ablehnt, versetzte mich immer wieder in Staunen. Schnell wurde mir aber klar, dass der Klügere nachgibt, denn die Straßen in Kambodscha sind voller Abgase, dreckig, laut und davon, Bürgersteige zum Gehen zu benutzen, scheint man allgemein nicht viel zu halten.

Wat Phnom
Wat Phnom in Phnom Penh


Heute sind die meisten Khmer Buddhisten

Dass laut Statistik circa ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, spürt man als Tourist besonders dann, wenn man die für Reisende vorgesehenen Gegenden verlässt und mit dem Bus über holprige Sandstraßen vom einen zum nächsten Ort geschaukelt wird, wie wir auf der Fahrt vom südlich-zentralen Phnom Penh zum nördlich gelegenen Siem Reap, das Ausgangspunkt für die Besichtigung der Tempel von Angkor ist. Mir wurde es ganz schwer ums Herz beim Anblick der aus wenigen Wellblechen bestehenden Hütten und der vielen kleinen Kinder, die meist ohne Aufsicht von Erwachsenen die Straße entlang hüpfen. Es verwunderte mich dann nicht so sehr, als ich später in einer Zeitschrift las, dass der Tod durch Ertrinken die zweithäufigste Todesursache bei kambodschanischen Kindern ist. Wenn ich euch nun noch erzähle, dass der Altersdurchschnitt bei 21 bis 22 und die Lebenserwartung bei 59 Jahren liegt, könnt ihr euch vielleicht vorstellen, wie viele dieser süßen Geschöpfe man bei einer Fahrt übers Land, wo mit 80 Prozent der Großteil der Bevölkerung sein Zuhause hat, zu Gesicht bekommt. Aber versteht mich nicht falsch, natürlich entspringt mein Mitleid meiner westlichen Perspektive, und ich muss zugeben, noch nirgends auf der Welt so glückliche Kinder gesehen zu haben. Und jedes Mal, wenn mir wieder eines ein fröhliches „Hello!“ entgegen zirpte und dabei mit der Hand in der Luft herumwedelte (nicht etwa um, wie in Angkor üblich, nach einem Dollar zu fragen), ging mein Herz wieder ein Stück auf.


Waisenkinder am Tonle Sap in Phnom Penh

Straßenansichten
Ein Straßenkiosk - praktisch, die Flaschen links enthalten Benzin für Roller

Wie die von mir verwandte Herzmethaphorik erinnerte mich auch Kambodscha in einem Punkt an China: Die Menschen scheinen überall einen Bekannten oder Verwandten zu haben und wie hier das meiste über Beziehungen zu regeln. Auf diese Weise lernten wir Wuta kennen, den Bruder und späteren Onkel einer Frau aus unserem Hostel in Phnom Penh, der drei Tage lang unser Tuktukfahrer in Siem Reap sein sollte, denn Angkor ist groß und Heimat sehr vieler, unglaublich beeindruckender Tempelanlagen, für deren Beschreibung der Platz hier nicht ausreicht. Auch was ich von der Lektüre des Reiseführers, der jedem einzelnen Tempel in Angkor ein eigenes Kapitel widmet, behalten habe, ist leider nicht viel. Demnach wurden die berühmtesten Tempel von den beiden Königen Suryavarman II (1112-52, u. a. Angkor Wat) und Jayavarman VII (1181-1219, z. B. Angkor Thom) errichtet, wobei die des Letzteren an den Gesichtern Avalokiteshvaras, dem des Königs selbst natürlich sehr ähnlich, erkennbar sind. Jayavarman VII war es auch, der den Buddhismus in das bis dato hinduistische Land brachte. Da sich in den letzten Jahrhunderten der Dschungel immer weiter in die Tempelanlagen geneingefressen hatte, wie man zum Beispiel an Ta Prohm oder, so Wuta, dem Tempel, in dem Tomb Raider gedreht wurde, sehen kann, waren in den letzten Jahrzehnten aufwendige Restaurationsarbeiten notwendig, die glücklicherweise noch nicht abgeschlossen sind, sonst wäre uns ein solch fantastischer Anblick entgangen.


Ta Prohm in den Fängen des Dschungels


Angkor Wat


Das Bayon von Angkor Thom

Tatsächlich stellte sich in den drei Tagen, die für die Besichtigungen eingeplant waren, eine gewisse Tempelmüdigkeit bei uns ein, und wir waren recht zufrieden mit Wutas Vorschlag, eine kleine Bootsfahrt zu unternehmen. Niemals hätten wir uns erträumen lassen, dass sich diese Spritztour als koreanische Geschäftsstrategie, die Armut in Kambodscha zu vermarkten, entpuppen würde. Zu den Hintergründen müsst ihr wissen, dass koreanische Unternehmer (wie übrigens auch chinesische) ganze Häfen und anderen Grundbesitz in Kambodscha erworben haben, um dort eigene Firmen zu betreiben. Für einen Monatslohn von 400 Dollar musste uns nun unser Kapitän – wohl bemerkt für den stattlichen Preis von 40 Dollar – durch die ärmsten Fischersiedlungen Kambodschas geleiten und einen Eindruck von der dort herrschenden Armut vermitteln. Was wir den Einheimischen so gerne schnell verziehen (dass sie uns stets ein wenig übers Ohr hauten), konnten wir dem koreanischen Großkonzern einfach nicht nachsehen. Bedrückt verließen wir nach zwei Stunden das Boot und freuten uns um so mehr auf den nächsten anstehenden Tempelbesuch.

Armut im Fischerdorf
Auf Bootsfahrt durch ein armes Fischerdorf bei Siem Reap

Nach diesem eindrücklichen Abstecher nach Siem Reap führte uns der weitere Weg nach Sihanoukville im Westen des Landes, wo der gemütliche Teil unserer Reise begann. Im nahe gelegenen Otres schipperten wir von Insel zu Insel, aßen das beste und günstigste Essen, holten uns am feinen Sandstrand den ersten Dezembersonnenbrand unseres Lebens und schliefen nun sogar in einem Zimmer mit richtigem Fenster. Anschließend begaben wir uns im an Thailand angrenzenden Koh Kong auf Dschungelsafari, lernten die Mangrovenwälder aus der Außen- und Innenperspektive kennen, aßen frischen Fisch mit Gemüse am menschenleeren Strand von Koh Kong Island und beobachteten das Treiben der Hühner im Sand von Nice Beach, während uns des Nachts die Mücken in ihrer Blutdurstigkeit kaum zur Ruhe kommen ließen. Erst nachdem wir sämtliche Speisen unserer kambodschanischen Strandnachbarn probiert hatten, machten wir uns glücklich auf die lange Rückreise nach Shanghai.

Sonnenuntergang an Nice Beach
Nice Beach in Koh Kong im Westen Kambodschas

Wahrscheinlich werde ich nicht mehr in dieses kleine Land zurückkehren, das mich so verzaubert und gleichzeitig schockiert hat, aber eines hat mich die Reise gelehrt: Glück und Zufriedenheit braucht des Geldes nicht, ein langes Leben dagegen schon. Mit diesem etwas pathetischen Fazit beende ich nun unsere wundersame Reise. Lee-a howy und bis bald!

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Freitag, 3. Januar 2014
서울 The Seoul of Asia
Nach zehn wundervollen, aber viel zu schnell vergangenen Tagen in Südkorea fällt mir wieder die schwierige Aufgabe zu, euch meine Erlebnisse und Entdeckungen in Asien in einem unterhaltsamen Blogeintrag zusammenzufassen. Seid nicht enttäuscht, wenn ich weniger die Sehenswürdigkeiten beschreibe als euch mein neu gewonnenes Insiderwissen über Land und Leute präsentiere und dabei hoffe, kein allzu krasses Schwarz-Weiß-Bild zu entwerfen, denn natürlich sind meine Eindrücke sehr subjektiv und nicht so verallgemeinerbar, wie es an der einen oder anderen Stelle scheinen wird. Und nun, GO!

Gyeongbokgung, Palast in Seoul
Der Gyeongbokgung-Palast in Seoul

Bereits bei der Ankunft in Seoul fiel mir auf, dass die Menschen in Korea uns ähnlicher zu sein scheinen als die Chinesen, weil sich beim Betreten der U-Bahn niemand an uns gewaltsam vorbeischob und ohne Rücksicht auf Verluste auf einen Sitzplatz zustürmte. Die Kleidung der Leute sah weniger nach Fake Market aus und fast alle hielten ein Samsung-Handy in der Hand, was bitte nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass Chinesen wie Koreaner immer an ihren Bildschirmen kleben. Auch die Taxifahrt fühlte sich nicht wie der letzte Gang zum Schafott an, weil es in Seoul Verkehrsregeln gibt, an die man sich anscheinend auch zu halten versucht. - Ich war zu Gast bei einer Industrienation, die abgesehen von der einen oder anderen Windböe aus Shanghai ungemein frischere Luft atmet, weil sie wie wir in China produziert, - und etwas besondere Vorlieben hat.

Lecker - koreanische Pfannkuchen
Hmmm, koreanische Pfannkuchen

Aber lasst mich zunächst kurz von unseren fantastischen Gastgebern berichten. Es beherbergten uns J-B [Schibeh], ein alter Freund von Vincent, und Esther, seine koreanische Freundin, die all ihr langjähriges Wissen über Korea mit uns teilten. Ein wenig neidisch war ich sicherlich auf die kanalisationsgeruchsfreie Wohnung, in der kontinuierlich heißes Wasser aus den Leitungen strömte und die wie in Korea üblich mit einer Fußbodenheizung und dichten Fenstern ausgestattet war. Dafür fehlte mir an manchen Tagen, wenn die Temperaturen deutlich unter null Grad Celsius sanken, der Drang, nach draußen zu gehen. Ein paar Zeugnisse von unseren Kurzausflügen könnt ihr dennoch hier und im Bildordner bewundern.

Blick von der Stadtmauer auf Seoul
Blick auf Seoul von der militärisch bewachten Stadtmauer aus

Nun, was hatten die beiden uns so zu berichten? Zum Beispiel von der koreanischen Liebe zum Soju, einem Schnaps, der fast täglich von der Bevölkerung konsumiert wird und dessen Verzehr in Vorstellungsgesprächen sogar als Einstellungskriterium dient: Umso mehr Soju man trinken kann, desto wahrscheinlicher ist es, dass man den Job bekommt. Natürlich bleibt dies, wenn ich alles richtig verstanden habe, zunächst auf der theoretischen Ebene, und niemand muss sich beim Einstellungsgespräch wirklich betrinken. Tatsächlich aber wiegt am Abend der Geruch des beliebten Getränks schwer auf den Fahrgästen der U-Bahn, und das einzige Gegenmittel ist es, sich selbst ein paar Gläschen zu genehmigen.

Im Deoksugung-Palast
Der Deoksugung-Palast - Kontrast zwischen Tradition und Moderne

Ganz anders als das Essen in China ist die koreanische Küche: Neben gekochten Schweinefüßen, Blutwurst, Eingeweiden und Fleischgerichten jeder Art gibt es Fisch in allen möglichen Formen, der gerne lebend zubereitet wird, sodass er frisch auf den Teller kommt. Hierfür wird auf dem Markt auch einmal ein Fisch vor den Augen des Käufers hingerichtet. Zu den leckereren Gerichten, die ich als Fischverschmäherin probieren durfte, gehörten die salzigen koreanischen Pfannkuchen, die in unendlichen Variationen auf den Tisch gezaubert werden.

Etwas überraschend präsentierte sich mir die Obsession der Koreaner mit Kimchi, einer Art fermentiertem Gemüse, das wie eine Suppe zu jeder Mahlzeit gereicht und bei Bedarf nachgefüllt wird. So beliebt sind Kimchi, dass jedes koreanische Kind das populäre Kinderlied über die Liebe zu dem Gemüse singen kann und auf Fotos statt "Cheese" "Kimchi" in die Kamera gelächelt wird. Und wenn die Kohlernte in Korea, wie vor ein paar Jahren einmal, schlecht ausfällt, dann können die Preise schon auf zehn Euro pro Kopf steigen, was den Koreaner natürlich nicht vom Verzehr seiner Lieblingsspeise abhält, sondern ihn sämtliche Importmöglichkeiten abwägen lässt.

Kimchifässer
Kimchifässer in Gyeongju im Südosten Koreas

Eine weitere Entdeckung ist die Beliebtheit der plastischen Chirurgie. Vorher-Nachher-Bilder finden sich auf Plakaten in der U-Bahn und auf Bussen, wobei nicht immer klar ist, dass das Nachher auch wirklich die bessere Variante darstellt. Esther ließ im Rahmen ihres Weihnachtsgeschenkes eine revitalisierende Lasergesichtsbehandlung über sich ergehen, um dabei festzustellen, dass die Laserstrahlen schlecht auf ihre Zahnfüllungen reagierten und sie diese Elektroschockbehandlung nicht wiederholen würde. Am Ende landeten aber auch wir mit einer in einem der zahlreichen Kosmetiksalons erworbenen Gesichtsmaske auf J-B's Couch und versuchten, den unserer Haut in der Silvesternacht bei Barbecue und Karaoke mit Soju zugefügten Schaden wiedergutzumachen.

Silla-Grabhügel bei Daereung-won in Gyeongju
Die Silla-Königsgräber in Gyeongju - hier keine Metapher

Nicht zu bereinigen sind sicherlich die Schäden, die den Kindern in Korea zugefügt werden. Wer hätte gedacht, dass die Schulzeit noch anstrengender sein könnte als in China, wo Kinder bis in den frühen Abend hinein Nachhilfeunterricht nehmen? Tatsächlich wurde in Korea erst kürzlich ein Gesetz verabschiedet, in dessen Rahmen verboten wird, dass Kinder nach 12 (bzw. 10) Uhr nachts (da waren sich die Gastgeber nicht ganz sicher) weiter Unterrichtsangebote wahrnehmen. Das Konzept Freizeit kann dann nur noch in Träumen existieren. Es sei dahingestellt, dass das vielleicht den übermäßigen Alkoholkonsum in Korea erklärt.

Gasmasken im U-Bahnhof
Gasmasken in U-Bahnhöfen von Seoul

Trotz der vielen Unterschiede zu China konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass asiatische Megastädte sehr ähnlich aussehen: ein paar alte, traditionelle Gebäude, der Rest ein Meer aus Beton. Auch die Paläste und Tempel gleichen sich in ihrer Schönheit innerhalb des jeweiligen Landes. In einem Punkt jedoch konnte Seoul mich verwundern: Anders als in China, wo jeder Rucksack vor dem Betreten der U-Bahn durch einen Detektor läuft, scheint die Polizei dort immer und überall präsent zu sein, und damit sind nicht nur einzelne Polizisten, sondern ganze Ansammlungen von ihnen gemeint. Man fühlt, dieses Land ist immer noch im Krieg. STOP!

Überall in Seoul: die Polizei
Nicht das schönste Bild, aber Realität - die Omnipräsenz der Polizei in Seoul

Nur ansatzweise nachvollziehbar bleiben für mich die anklingenden Vorurteile der Koreaner gegenüber den Chinesen. Wundersamerweise scheint mir das Leben in der Zivilisation physisch wenig gut getan zu haben, denn das "gesunde" (und stark gechlorte) Wasser in Korea hat meine Neurodermitis zum Erblühen gebracht. Vielleicht tat der Soju auch sein Übriges. Aber warum sich beschweren, wenn ich nun wieder meine empfindliche Haut mit dem mit Metallen angereicherten Wasserstrom in China reinigen kann - und schon jetzt die wundervollen Gastgeber vermisse, die diesem Urlaub so sehr zum Gelingen verholfen haben!

Die Show Nanta - und die Schauspieler sind...
Und die Hauptdarsteller waren...

Auch wenn ich euch weder von unserem Zusammentreffen mit Shou Xing noch von unserem Ausflug nach Gyeongju berichtet habe, bei dem ich mit einem klitzekleinen Stein einen verwunschenen Turm fast zum Einstürzen brachte, um ihn dann doch noch glücklich zu platzieren, wünsche ich euch allen nun ein frohes neues Jahr!

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Letzte Aktualisierung: 2015.08.12, 02:06
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