Einmal Shanghai und zurück
Samstag, 23. Mai 2015
Glücklicherweise Vietnam
Seid gegrüßt, ihr treuen Leser meines vernachlässigten Blogs,
aber nein, ich bin mit 60 Zuhörern noch nicht unter die chinesischen Radiostars gegangen! Vielmehr sind es mal mehr, mal weniger widrige Umstände, die mich von der Pflege dieses Blogs abhalten, darunter die immer weiter um sich greifende Internetzensur, die mich dazu zwingt, das erste Mal meine Fotos tatsächlich von der Schule aus einzustellen, Karos Besuch in Shanghai, wiederholte Handyunglücke, ausgedehnte Brillenmarktbesuche, erste Akupunkturstudien und manchmal dann auch eine Kombination von mehreren Faktoren. Aber bevor wir unseren optimistischen Blick wieder gen Zukunft wenden, bin ich euch natürlich noch etwas schuldig, nämlich meinen Vietnamreisebericht.


Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden des Landes

Denn in diesen Frühlingsferien machten wir uns wieder einmal auf den Weg nach Südostasien, um im bezaubernden Vietnam zu landen. Glücklicherweise war ich hartnäckig geblieben und hatte Vincent davon überzeugen können, noch ein letztes Mal als Bittsteller bei seinem Arbeitgeber aufzutreten und einen weiteren Urlaub zu beantragen. Am Tag unserer Abreise setzten wir uns dann zusammen und entwarfen einen Reiseplan, der wie folgt aussah: Zuerst würden wir die nach dem ehemaligen Präsidenten benannte Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden des Landes besuchen, um anschließend in Zentralvietnam Hue und Hoi An zu erkunden und unsere Reise in der Landeshauptstadt Hanoi zu beschließen. Überrascht über die für dieses kleine Land erstaunlichen Entfernungen buchten wir noch schnell einen Zwischenflug nach Hue. So weit so gut.


Manchen von euch ist Ho-Chi-Minh-Stadt als Saigon bekannt. Sie bekam ihren neuen Namen im Jahr 1976 zur Wiedervereinigung des Nordens mit dem Süden.

Besser vorbereitet als eh und je landeten wir also in der Stadt mit dem wunderschönen alten Namen Saigon und hatten zunächst mit der Akklimatisierung zu kämpfen. Wie recht hatten hier ausnahmsweise einmal die Wetterprogramme auf unseren Handys: 36, gefühlte 42 Grad Celsius. Wir schlichen durch das modern-industrielle Zentrum der Republik und ließen uns trotz Hitze nicht davon abhalten, von den raffinierten Tunneln und Folterfallen zu Cu Chi, in denen sich vietnamesische Kämpfer im Zweiten Weltkrieg versteckt hielten, und im Kriegsopfermuseum von der bewegten Geschichte des Vietnamkrieges und seiner Folgen beeindrucken zu lassen. Dass amerikanische Panzer viele Ecken des schönen Landes schmücken, scheint symptomatisch zu sein für die immer noch anhaltende Kriegsbereitschaft der Bevölkerung, wie sie uns später ein in Hue als Kellner arbeitender Student erläuterte. Heute ist der gemeinsame Feind allerdings kein westliches Land mehr, sondern, welch Überraschung, die Volksrepublik China. Im Bewusstsein, dass die Propaganda im kommunistischen Vietnam dieses Bild forciert, erläuterte uns der gebildete junge Mann die Bedrohung, die an der Nordgrenze des Landes und im Südchinesischen Meer von den expansionsbegierigen Nachbarn ausgehe. Befremdet von solch starken Ressentiments gegenüber den auf uns stets recht tollpatschig und unorganisiert wirkenden Chinesen, traten wir den Weg nach Hoi An an, eine touristische Stadt im Herzen des Vietnams, deren Besuch uns vorab wärmstens empfohlen worden war.

Königlicher Palast in Hue
Der königliche Palast in Hue


Der Verkehr ist nicht nur in Hue gewöhnungsbedürftig.

Unsere Herzen erweichen konnte die Stadt dann weniger als unsere entzückenden Gastgeber es taten, die den im Vietnam weit verbreiteten Traum Amerika zu leben scheinen. Um dies näher zu erklären, seien die Lebensumstände der Hotelbesitzerin erklärt: Diese hat nämlich zwei Kinder, die sie beide in den Staaten zur Schule schickt. Die Aussichten auf eine vielversprechende Zukunft trösten die Mutter darüber hinweg, dass sie auch in Zukunft ihre Mädchen nur einmal im Jahr sehen wird, denn diese werden wohl nicht in den Vietnam mit seinen Niedriglöhnen zurückkehren. Diese Frau war es dann auch, die uns lehrte, dass es die Lebensphilosophie vieler Vietnamesen sei, ihre Kraft aus einer optimistischen Lebenshaltung zu schöpfen („We are just happy!“), auch wenn sie zum Teil unter vergleichsweise schlechteren Bedingungen leben und arbeiten. Und tatsächlich, die Wärme und lebensbejahende Einstellung der Vietnamesen spürt man an jeder Ecke des Landes.

Ho Chi Minh-Mausoleum
Das Ho Chi Minh-Mausoleum in Hanoi

Und schon war die letzte Etappe unserer Reise angebrochen. Nachdem wir schmerzlich gelernt hatten, dass man im Vietnam besser in einer Garküche als in einem schicken Restaurant isst, wenn man seinen Urlaub voll ausschöpfen will, genossen wir schließlich noch unser kulinarisches Highlight, ein ganz traditionell zubereitetes Pho Bo (Nudelsuppe mit Rindfleisch und Kräutern), in Hanoi, das wir nach zwölfstündiger Zugfahrt erreicht hatten. Wie erstaunlich war es, dass, während wir uns ein Expat-Leben in Ho-Chi-Minh-Stadt noch gut hätten vorstellen können, wir uns schnell einig waren, dass Hanoi zwar wirklich eine Reise wert, aber doch eindeutig viel zu laut, chaotisch und voll für uns ist. Am Ende freuten wir uns richtig auf das von leisen Elektrorollern befahrene Shanghai.


Ein Altar im königlichen Palast von Hue

Und hier sitze ich nun wieder auf meiner Couch, gespannt den letzten acht Wochen, die mir hier verbleiben, entgegensehend. Die Zeit reicht gerade noch für mein letztes Projekt hier, nämlich, dem Rat meines Akupunkturarztes folgend, ein Stück vietnamesische Seele in mir zu finden und ohne Anfälle von Melancholie einfach happy zu sein. Viel Glück wünsche ich natürlich auch euch!

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Juhuu, ein neuer Beitrag!!!

Und wie schön, mal wieder von Dir zu hören! Das klingt ja nach einem sehr spannenden Urlaub. Was ist denn eigentlich geschehen mit der Solidarität der internationalen Arbeiterbewegung, wenn ein kommunistisches Land wie Vietnam seinem großen Bruder so misstraut? Und nebenbei versucht, den amerikanischen Traum zu leben? Ich bin auf nähere Erläuterungen höchst gespannt.

Nur noch acht Wochen bis zu Deiner Rückkehr, das ist ja ein Klacks. Gibt es schon ein genaues Datum? Fliegst Du von Japan aus noch einmal nach Shanghai zurück, oder schickst Du Deine Sachen komplett vorab heim? Kann man Dir als Postannahmestelle oder ähnliches dabei zur Hand gehen?

Liebe Kristin, ich freu mich schon so auf Dich! Bis ganz bald!!!

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Schöne Bilder! Wer ist diese Karo und warum hat sie Dich besucht? Und wieso hab ich jeden Tag eine andere Brille auf? Nein, Shenzhen hat mir nicht den Verstand geraubt ;)
Erkältung ist mittlerweile schon fast und Jetlag schon ganz auskuriert.
Ich vermisse die schöne Anfu Lu!
Viele Grüße, und iss ein Jiaozi für mich mit!

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Hallo ihr Lieben,
ich freue mich, dass es euch gut bzw. besser geht. Lasst uns die Solidaritätsfrage dann im schönen Berlin erörtern, in dem ich am 31. Juli (oder 1. August?) landen werde. Am Samstag geht's los nach Japan und dann habe ich ganze zwei Wochen Zeit in Shanghai, um alle Artikel fertig zu schreiben, die noch auf meiner Festplatte liegen, und meine Rückreise vorzubereiten. Gepackt hab ich natürlich noch nicht.
Ich wünsche euch wärmeres und mir kühleres Wetter! Zaitian!

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