Einmal Shanghai und zurück
Montag, 6. Oktober 2014
Guilin von ungefähr
Liebe Chinaexperten und -expertinnen,
wenn ich mir überlege, auf wie viele Abenteuer ihr alten Hasen euch nun schon mit mir eingelassen habt, dann frage ich mich, womit ich euch noch unterhalten oder überraschen könnte. Und ihr habt recht, jetzt wäre doch der Zeitpunkt gewesen, einmal das bekannte Terrain zu verlassen und euch mehr über das asiatische Umland zu berichten, aber ihr vermutet richtig, auch diesen Urlaub verbrachten Vincent und ich in der großen Volksrepublik China und nicht wie eigentlich geplant auf Okinawa, denn unser Reiseziel hieß Guilin und liegt wie der Yunnan südlich von Shanghai. Aber ja, Guilin ist eine Reise wert! Das sagen nicht nur diverse Chinakenner, sondern auch Andra, deren Heimat hier ist und die unsere Reise in ganzen fünf Minuten plante (und sie vermutlich in weniger wieder vergaß ;-).

Blick auf den Lijiang vom Lao Zhai Shan
Leider der falsche Winkel, sonst könntet ihr das Motiv der 20 RMB-Scheine wiedererkennen.

In Guilin angekommen, fiel mir nicht nur auf, dass eine Reise in diesem Land doch mehr Vorbereitungszeit bedarf als fünf Minuten, sondern auch, dass die Bewohner Guangxis mit Touristen so verwöhnt sind, dass sie nicht einmal Fragen beantworten wollen, wenn sie auf dem bestmöglichen Mandarinchinesisch (oder auch pǔtōnghuà) gestellt werden. Wir lernten schnell, dass hier nur Geld hilft, und griffen auf Rikscha, Fahrer und Reisegruppen zurück, um mit unserem Programm nicht allzu sehr in Verzug zu kommen.



Die Hauptstadt Guilin konnte uns nicht so recht begeistern, was nicht nur an Urtes Party lag, auf der ich bis in die Nacht hinein Verstecken mit ihr spielte (vgl. Hide Dance) und über ihre Couch hüpfte (was selbstverständlich nur Erwachsene dürfen!), sondern auch daran, dass selbst interessantere Sehenswürdigkeiten nur über Eintrittskarten zugänglich und sonst durch künstlich angepflanzte Palmen gewinnbringend verdeckt waren. Wie von unseren Urlaubsplanern empfohlen, bestiegen wir am nächsten Tag dann den Dampfer nach Yangshuo, waren mit diesem Plan aber wohl nicht die einzigen:






Auf dem Fluss Li (Lijiang)

In dem unter Chinareisenden zurecht sehr beliebten Yangshuo wurden wir glücklicherweise dann Zeuge der sonnigen Seite der Provinz. Nicht nur konnten wir die von uns so geschätzte Mango in den vielseitigsten Variationen genießen - sehr lecker zum Beispiel mit Eis und Reisklößchen -, auch die thematisch zwar auf die Herkunft und meine umfangreichen Chinesischkenntnisse beschränkten, aber unterhaltsamen Plausche mit einheimischen Parkbesuchern stimmten uns sehr fröhlich. Auf diese Weise zu Größerem animiert, erklommen wir dann sogar bei 32 Grad Mittagshitze die über 1000 Stufen des Lao Zhai, Mönch oder Phallus im Vergleich, in der Nähe des Fischerdorfes Xing Ping, um auf der kleinen Plattform auf der Spitze von einer einsamen Chinesin ein Bild von uns schießen zu lassen, auf dem das auffälligste nicht das schöne Landschaftspanorama ist, sondern die schweißbefleckte Kleidung. Ihr sucht dieses vergeblich im Bildordner.


Eine Touristenstraße in Yangshuo

Der letzte Teil unserer Reise zu den Reisterrassen von Longji war geprägt durch das "chàbùduō" (ungefähr), das einzige Wort, das ich in Guilin dazulernte. Aber wozu sich beschweren, wenn es im Nachhinein keinen großen Unterschied macht, dass sich Longji als riesiger Landschaftspark entpuppte, für dessen Zugang man natürlich Eintritt zahlen musste, das Programm den englischsprachigen Reisegästen bis zum Ende unklar blieb, der Sonnenaufgang trotz nachtschlafender Uhrzeit nicht zu beobachten war, die großartige Wanderung durch die Reisfelder sechs statt vier Stunden dauerte, der gefüllte Tofu ungefüllt, das Hühnchen als Fisch auf den Tisch kamen und die Rückfahrt zum Guiliner Flughafen viereinhalb statt zwei Stunden in Anspruch nahm, weil die chinesischen Mitfahrer vom Reiseleiter zunächst nicht aufzutreiben und der Straßenverkehr der Golden Week, in der alle Chinesen gleichzeitig Urlaub haben, dann nicht einmal durch ausdauerndes Hupen zu überwinden war. Schließlich profitiere ich noch heute von den Spuren, die diese Reise bei mir hinterlassen hat, und bekomme fast täglich Komplimente für meinen ungewöhnlich dunklen Teint.


Die Reisterrassen von Longsheng

Das Zirpen der Zikaden und die hemmungslosen Hornsignale der Autofahrer noch im Ohr, lasse ich nun dieses Paradies endgültig hinter mir und tauche wieder ein in die hektische Welt des großen Shanghais, deren Töne sich nicht grundsätzlich unterscheiden von denen meiner Erinnerung. Es grüßt euch eure urlaubsgejetlagte Chinaexpertin!

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Mittwoch, 14. Mai 2014
Traumhaft Buntes, Hohes und Leckeres in der südchinesischen Provinz Yunnan
Seid gegrüßt, liebe Chinafreunde,
wieder einmal melde ich mich zurück mit einem Reisebericht der besonderen Art, denn in diesen Osterferien durften Vincent und ich auf Rucksacktour durch den schönen Yunnan im Süden Chinas gehen, der die meisten Minoritätengruppen hier beheimatet. Dabei ließen wir uns, wie es sich für abenteuerliche Backpacker gehört, eher mehr als weniger vom Zufall leiten. Insgesamt legten wir auf unserer Reise dann unerwartete 1300 km zurück und konnten wir etwa 25 Stunden lang den abwechslungsreichen Ausblick von unseren Busplätzen aus bewundern.

Unsere Reiseroute durch den Yunnan
Reise von Zentralyunnan nach Norden: Kunming - Dali - Lijiang - Tigersprungschlucht - Shangri-La, Rückreise: Shangri-La - Baisha (Dorf bei Lijiang) - Kunming

Ihr werdet nicht sonderlich erstaunt sein zu erfahren, dass der Auftakt nicht ganz so harmonisch verlief wie erwartet - kommen wir also zu Zufall Nummer eins. Zwar wurde ich ganz im Sinne der chinesischen Servicekultur sechs Wochen im Voraus telefonisch davon unterrichtet, dass unser Flugzeug fünf Minuten später abfliegen würde als geplant, dass wir dann aber tatsächlich acht Stunden darauf warten müssten, darüber hat uns vor und während der Wartezeit niemand so recht informiert. Denken konnten wir uns das spätestens dann, als wir mit dem Bus vom Shanghaier Flughafen in ein in halbstündiger Entfernung gelegenes Hotel abtransportiert wurden und dort ein Zimmer zugeteilt bekamen. Zum Glück war dieser Start schnell vergessen, als wir abends in der Provinzhauptstadt Kunming landeten und müde ins Bett des chinesischsten aller unserer Hotels fielen, spätestens aber dann, als wir am nächsten Morgen das für meinen Geschmack einfach tolle chinesische Frühstück mit Nudelsuppe, Baozi (Hefeklößen mit Fleisch oder Gemüse), Gemüsereis, Eiern und Obst genossen. Bald danach schon waren wir mit dem Bus wieder unterwegs ins beschauliche Dali, und die nächsten Überraschungen ließen selbstverständlich nicht lange auf sich warten.


Karaoke, hier als KTV bekannt, gibts auch in Dali

Unseren Reisegewohnheiten kam es sehr entgegen, dass man sämtliche Busfahrkarten frühestens eine Stunde vor Abfahrt erst erstehen konnte. Insgeheim war ich sehr erheitert darüber, dass sich der vor Kurzem begonnene Chinesischkurs am Schalter gleich auszahlte, denn ich erstand tatsächlich Tickets für den richtigen Bus, und als uns zwei Touristen herzlich begrüßten und hinter uns Platz nahmen, war ich nicht nur überzeugt von den Chinesischkompetenzen der Menschen im Yunnan, sondern auch von ihrer Freundlichkeit. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass es sich bei einer von den beiden Touristen um eine Kollegin aus dem Kindergarten handelte, die ich schlicht nicht erkannt hatte. Glücklicherweise interpretierte ich es auch am Abend dann nicht als schlechtes Omen, dass uns auf einer Straße in Dali der stellvertretende Schulleiter und seine Frau entgegenkamen, denn damit hatten wir die zufälligen Treffen mit Schulbekanntschaften in diesem Urlaub hinter uns gebracht. Wir befanden uns einfach auf einer unter chinesischen wie westlichen Chinatouristen sehr beliebten und klassischen Reiseroute, sodass Begegnungen mit anderen Lehrkräften vorprogrammiert, wenn auch nicht vorgesehen waren.


Stand auf dem wirklich riesigen Markt zu Fuße des Cangshan-Berges von Dali

Zunächst ließen wir es uns also im zwar touristischen, aber wirklich schönen Dali gefallen, in dem wir dank des Tipps von Bianca, meiner Kollegin, nicht ganz so zufällig ein traumhaftes, im Stil der Bai-Minorität gehaltenes Hostel bewohnten. Zwar gehörte die Wanderung am Cangshan, bei der die Suche nach der Seilbahn länger dauerte als die Bewältigung des gepflasterten Weges selbst, nicht zu den Höhepunkten dieses Urlaubs, aber es ist doch immer besser, klein anzufangen. Trotz meiner anfänglichen Vorbehalte, vor allem die fehlende Rücktrittbremse betreffend, war ich auf unserer Radtour zum Erhai-See schnell bezaubert von der die Stadt umgebenden Landschaft und den niedlichen Dörfern. Schließlich konnte uns nach dem Bergspaziergang und dem reichlich guten, aber wie im Yunnan üblich sehr öligen Essen auch ein bisschen Sport nicht schaden.

Radtour durch Dörfer und über Felder zum Erhai-See in Dali
Um einen besseren Eindruck von der Umgebung Dalis zu bekommen, sei euch ein Blick in den Bildordner empfohlen

Zu einem von Vincents Lieblingsplätzen in Dali gehörte sicherlich der Platz vor dem Filmmuseum der Stadt, auf dem jeden Abend ein Film gezeigt wurde, zu welchem Anlass sich die Einheimischen es sich dort auf kleinen Sitzbänken gemütlich machten. Zu meinem Leidwesen war Vincent trotz uns um die Ohren wehender Plastiktüten (nach Umweltschutz steht dem Chinesen wohl selbst in Urlaubsregionen nicht der Sinn) nur schwer dazu zu bewegen, den chinesischen Kriegsfilm, der mit winzigen englischen Untertiteln gezeigt wurde, nicht bis zum bitteren Ende anzusehen. Vor Einbruch der Dunkelheit wurde auf dem Platz natürlich getanzt - wie in Shanghai auch von weiblichen, wenn auch nicht durchweg begabten Akteuren.

Na, wer tanzt hier denn aus der Reihe?
Platz vor dem Filmmuseum in Dali

Viel zu schnell befanden wir uns wieder auf der Weiterreise, dieses Mal organisiert von dem sehr charmanten Hostelpersonal. Auf der Fahrt lernten wir glücklicherweise Lucy und Rob kennen, die uns in Lijiang ein Stück des Weges mitnahmen und einen Ortskundigen organisierten, der uns den sehr komplizierten, weil durch etliche enge Gassen führenden Weg wies. Überraschenderweise waren wir sehr schnell genervt von der eigentlich sehr beschaulichen Altstadt Lijiangs, von der so viele Chinesen als der Stadt der Liebe schwärmen, denn nicht nur, dass unser Hostel eine einzige Baustelle (mit sehr freundlichem Personal) war, man kam sich überall vor wie in einem Vergnügungspark für Touristen. Die vielen kleinen Läden boten bei immer gleicher musikalischer Untermalung alle dieselben Waren an. Kaum wog man sich des einen chinesischen Liedes entkommen, hörte man es drei Häuser weiter direkt wieder, vermischt mit der Trommelei, der man auch eine Ecke zuvor gerade entflohen war. Da half dann auch die inszeniert traditionelle Tanzeinlage auf dem Hauptplatz der Stadt nicht mehr, wohl aber das Bier mit unseren beiden Helfern beim abendlichen Essen. Zum Glück waren meine Chinesischkenntnisse noch nicht so weit fortgeschritten, dass ich die in unserem Reiseführer beschriebenen Schilder vor den Restaurants, die japanischen Reisenden angeblich den Zutritt verbieten, um mehr chinesische Touristen anzulocken, hätte lesen können, und so hatte der viel zu spät begonnene Chinesischkurs doch sein Gutes.

Unterhaltungsprogramm für chinesische Touristen
Unterhaltungsprogramm für Touristen in Lijiang

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass wir diesem Trubel wenig nachtrauerten, als wir uns nach einem Tag wieder im Bus befanden, dieses Mal auf dem Weg zur Tigersprungschlucht, die in zweistündiger Entfernung von Lijiang liegt. Ein wenig bange war mir schon zu Mute vor der Wanderung durch die Gebirgskette, von der eine Freundin aus der Schule mir schon berichtet hatte. Schließlich hatten wir uns vorgenommen, nicht wie die allermeisten chinesischen Touristen den geteerten Weg durchs Tal zu nehmen, sondern den höher gelegenen Wanderweg, für dessen Bewältigung etwa 8 bis 10 Stunden veranschlagt wurden. Ich finde aber, ich verbarg meine Bedenken recht erfolgreich.


Hoch motivierte Wanderer - nur einer mit Rucksack

Nur von Glück kann ich sagen, dass Vincent so sportlich ist und den Rucksack für mich durch die komplette Schlucht hindurch trug, denn andernfalls wäre dieses Vorhaben sicher zum Scheitern verdammt gewesen. So zweifelte ich nur zwei Mal ernsthaft an mir, beim Besteigen der "28", als mir der Schweiß trotz Schleichgeschwindigkeit in meinen Sonnenschutz zu tropfen begann, und als wir auf dem Weg einer einsamen chinesischen Wanderin begegneten, die die Tour leichtfüßig mit einer Plastiktüte in der Hand und in Sandalen bewältigte. Erfreulicherweise lenkte mich das Gespräch mit ihr so sehr von meinen Zweifeln ab, dass ich dann von mir fast unbemerkt das "Half-Way" erreichte, das nicht wirklich auf halber Strecke lag, aber uns eine Schlafgelegenheit mit ungewöhnlichem Ausblick bot.

Ausblick vom Halfway auf die Tigersprungschlucht
Ausblick von der Terrasse unseres Hostels in der Tigersprungschlucht

Bis hierher war unsere Reiseroute zumindest mir recht klar gewesen, ein Unsicherheitsfaktor stellte nun die Weiterfahrt nach Shangri-La (ursprünglich Zhongdian) dar. Ich hatte sehr unterschiedliche Meinungen zu dieser nach einem Roman James Hiltons benannten Stadt im Norden Yunnans gehört, und dass die Altstadt zu Beginn des Jahres zu 70% abgebrannt war, klang nicht gerade vielversprechend. Nichtsdestotrotz saßen wir bald im Bus Richtung Norden, bereit dazu, uns ein weiteres Mal einfach überraschen zu lassen.
Der tibetanische Flair der Gegend um Shangri-La, der in der Tat etwas Mystisches, wenn auch wenig Utopisches hatte, vermochte es schließlich schnell, uns unsere Vorurteile zu nehmen. Selbst die uns überraschende Kälte konnte dem nichts anhaben, wie paradiesisch schön es war, nach dem Aufwachen in unserem Hostel auf dem Land über die weite Steppe zu blicken und den Yaks beim Grasen zuzusehen. Trotz der Höhe der Stadt auf über 3000 Metern über dem Meeresspiegel trauten wir uns, im Gegensatz zu manch anderer Familie aus meiner Schule, dann sogar ohne Gasmasken aus dem Haus, obgleich es ungemein schwerer fiel, die vielen Treppen des größten Klosters in Shangri-La zu erklimmen. Natürlich wurde unsere Mühe aber reichlich entlohnt.


Das Sumtsaling-Kloster in Shangri-La

Von unserer Rückreise ist relativ schnell berichtet. Mit Bus und Nachtzug, einen Abstecher in das beschauliche Dorf Baisha bei Lijiang machend, kehrten wir zwei Tage später wieder in die Hauptstadt Kunming zurück. Dort endete die Reise, wie sie begonnen hatte, zufällig im Zimmer 409 mit einem deftigen chinesischen Frühstück. Zwar stellte uns die Frühlingsstadt zum Schluss noch einmal gehörig auf die Probe, indem sie Vincents heiß ersehnten Ausflug in den Steinwald Shilin wahrhaft in die Fluten stürzen ließ, konnte dann aber mit Hilfe ihrer Märkte, Seen und unglaublich netten Einwohner, deren mangelnder Orientierungssinn mich zu diesem Zeitpunkt der Reise nicht mehr überraschen konnte, wieder Frieden zwischen den Reisenden stiften.

Das Dorf Baisha bei Lijiang
Ein einsames Yak in Baisha nahe Lijiang

Auch wenn es trotz fleißig gepaukten Reisevokabulars nicht immer ganz einfach gewesen war, den einen oder anderen Bus ausfindig zu machen (die Antworten konnte ich schließlich nicht vorab auswendig lernen), bestiegen Vincent und ich am Ende pünktlich unseren Flieger gen Shanghai, stolz und glücklich, eine solch entfernte Region der Erde ohne Reiseführer erkundet zu haben. Meine nächste Expedition wird mich erst einmal wieder zurück in die Heimat führen, und ich freue mich schon jetzt riesig darauf, euch alle bald wieder mit einem wenig exotischen "Hallo" begrüßen zu dürfen!

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Samstag, 5. April 2014
Wie viele Jings braucht ein Land?
Nǐmenhǎo wàiguórén,
obwohl ich in der Zwischenzeit ganz aus der Übung gekommen bin, sehe ich ein, dass es langsam nötig ist, mich einmal wieder in einer Zusammenfassung meiner Erlebnisse zu versuchen. Selbstverständlich habe ich an euch gedacht und während des Besuchs von Hanna einiges an Material für euch gesammelt, sodass ihr mir nur verzeihen müsst, dass ich aus Gründen der Ökonomie einige Geschichten aussparen und nicht erläutern werde, wie ich am selben Abend meine Rippen prellte und mein Handy verlor oder wir trotz schlechter Planung und geringer Sprachkenntnisse einen Bus in die beschauliche Wasserstadt Tongli nahmen, ungeachtet des Staus pünktlich ankamen und die Abfahrtsstelle des Busses am Abend wiederfanden, obwohl der Fernbahnhof Tonglis nicht an dem Ort war, an dem die Fahrgäste tatsächlich wieder eingesammelt wurden. Viel interessanter erscheint es mir, euch heute ein paar wertvolle Tipps für euren zu planenden Ausflug nach Peking mitzugeben, die ihr so in keinem Reiseführer entdecken werdet. Vielleicht findet ihr dabei ja auch heraus, wofür ich das Wort "Jing" in diesem Eintrag (fast) zweckentfremdet habe.


Der erste Hinweis auf des Rätsels Lösung

Zunächst einmal solltet ihr euch vor Reiseantritt darauf einstellen, dass in einem Land, in dem alle so schlecht organisiert erscheinen, doch erstaunlich viel Organisationstalent vorausgesetzt wird. Bitte bucht eure Zugfahrkarte also rechtzeitig, auch wenn online noch viele Tickets verfügbar sein sollten. Dazu benötigt ihr: gute Recherchekenntnisse, ein funktionierendes Übersetzungsprogramm (solltet ihr keine Schriftzeichen lesen können, und hey, ich kenne euch doch), eure Reisepässe, denn schließlich sollte euer Aufenthaltsort stets bekannt sein, und ein wenig Geduld im Reisebüro. Sollte euch dies alles zu anstrengend sein oder ihr doch so manches Dokument im relevanten Moment vergessen haben, sei euch geraten, die Konsequenzen würdevoll zu tragen, die wären: lange Warteschlangen, in denen ihr eure Körpermasse den Überholmanövern der Zeitgenossen entgegenstemmen müsst, ein späterer und langsamerer Zug, eine halbstündige Taxischlange (in Shanghai wenigstens mit Unterhaltungsprogramm wie flüchtenden Taximittelsmännern und kleineren Rangeleien um die Plätze) sowie falsch ausgestellte Zugfahrkarten, die euch in eurer Planung zeitlich zurückschlagen, wiederum Verhandlungen mit dem Servicepersonal nötig machen, dieses Mal aber im unabdingbaren Aufregungsmodus, und wieder Taxischlangen zur Folge haben könnten. Aber keine Sorge, auch wenn ihr viele Hindernisse überwinden müsst, werdet ihr schon an eurem Ziel ankommen.


Und der zweite

Als nächstes sei euch angeraten, euch nicht von den verschiedenen Warnungen eurer Kollegen oder der Nachrichtenerstattung in den Medien verunsichern zu lassen. Ja, es gibt Peking mit ein wenig Glück auch ohne Smog, dafür dann mit einer Extraportion Charme. Solltet ihr aufgrund mangelhafter Vorbereitung nur einen Tag Zeit haben, empfehle ich euch das Folgende: Wandelt ohne Vorurteile durch die beschaulichen Gassen der Pekinger Altstadt, genießt die in den Straßenküchen gegen ein wenig Chinesisch erhältlichen Snacks und Komplimente, lasst euch von der Hippheit der Jungen beeindrucken, kauft euch keine ihrer Schlangen oder Spinnen, genehmigt euch auf der Dachterrasse eines der vielen niedlichen Cafés ein koffeinhaltiges Getränk, bewundert die traditionellen Hutong-Häuser und unzähligen öffentlichen Toiletten ohne Privatsphäre und schließlich die eine oder andere barocke Musikeinlage der Einheimischen in einer der vielen Bars. Am besten schließt ihr bei einem Wochenendausflug die bekannteren Sehenswürdigkeiten von vornherein aus, sich an einem Sonntagmittag auf den Platz des Himmlischen Friedens wagen zu wollen, ist sicherlich ein Anfängerfehler. Verschwendet auch nicht eure Zeit damit, euch dem Zauber der Altstadt zu entwinden, um die Neustadt zu erkunden. Vielleicht braucht ihr sie noch, um ein Taxi zu finden oder am Bahnhof unter Einsatz sämtlicher emotionaler Kräfte die für den falschen Zug ausgestellte Fahrkarte umzutauschen.


Ist noch mehr Hilfe nötig?

Vielleicht solltet ihr wissen, dass die Stadt Peking ihren Namen gleich mehreren Schöpfern verdankt, denn eigentlich meint Beijing nur "nördliche Hauptstadt". Nicht nur, dass die Stadt je nach Herrscher über die Jahrhunderte hinweg ihren Namen öfter wechselte als ich (hoffentlich) mein Handy, so hieß sie auch einmal wie die gleichnamige Stadt im Osten Chinas "Nanjing" (südliche Hauptstadt). Sicher ist, dass in einem Land, in dem regelmäßig Kaiser und Regime gestürzt wurden und sich die Grenzen stets verschoben, es keine so gute Idee war, die Hauptstadt nach ihrer jeweiligen geografischen Lage zu benennen. Ebenso wenig ist es wirklich ein Ausdruck davon, wie polyglott ihr seid, wenn ihr, das Deutsche um einen weiteren Begriff beraubend, "Peking" durch "Beijing" ersetzt. Warum denn? Hier sagen sie ja auch weiterhin Bólín [地] zu unserer Jing.


Hier ist sie!

Dringend sei euch noch geraten, euch vorab ein paar grundlegende Sprachkenntnisse anzueignen, damit ihr auch wirklich einen Kaffee oder eine leckere Pekingente (Běijīng kǎoyā) bestellen könnt. Aber tröstet euch, auch chinesische Reisende müssen ja ihr Englisch ein wenig aufpolieren, wenn sie nach Deutschland kommen, und glaubt mir, das fällt ihnen nicht immer ganz leicht, denn sie haben eben solche Probleme mit der Aussprache wie ihr und sind mindestens genauso schüchtern. Geben wir es doch ruhig zu, ganz so polyglott sind wir alle noch nicht.

Viel Spaß bei der Urlaubsplanung wünscht euch nun eure etwas überarbeitete Reiseführerin.

Die Verbotene Stadt ganz klein im Stadtmodus
Wer kennt sie nicht? Die Verbotene Stadt, die wir nicht besuchten

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Sonntag, 16. Februar 2014
China international - ein Besuch in Hongkong
Liebe Freunde meiner Chinaerzählungen,
sicher habt ihr mittlerweile den Eindruck gewonnen, dass ich euch vernachlässige oder gar schon ganz vergessen habe, denn meine Einträge werden immer seltener, wenn auch nicht unbedingt kürzer. Ich versichere euch, dies ist nicht der Fall! Zu meiner Entschuldigung habe ich vorzubringen, dass es mich im Januar doch noch schwer getroffen hat, denn nachdem ich eigentlich schon wieder genesen war, legte eine schwerwiegende Halsentzündung mein kreatives Potential lahm und ließ mich fast die geplante Reise nach Hongkong absagen. Lasst mich mit der Vorgeschichte beginnen.

Pünktlich zu Beginn der Ferien also lag ich mit dick geschwollenem Hals im Bett und konnte ich mich nur noch mit Mühe zu Jenny zum CNY Lunch (Chinese New Year) bewegen, bei dem ich weder größere Happen essen geschweige denn irgendetwas genießen konnte. (Glücklicherweise ist Jenny auch laut eigener Aussage keine große Köchin.) Es grenzt an ein Wunder, dass ich dann die lautstarke Neujahrsfeier verschlief, die dieses Jahr gemäß Lunisolarkalender in der Neumondnacht zum 31. Januar stattfand. Einzig und allein Zeuge der Nachwirkungen wurde ich: Die Luft war in den anschließenden Tagen so dick wie mein Hals, was zur Folge hatte, dass Vincent nicht planmäßig in Shanghai landen konnte und erst mit einiger Verspätung bei mir eintraf. Der Aufforderung der Regierung, aufgrund der ohnehin widrigen Luftverhältnisse weniger oder keine Neujahrsböller zu entzünden, war wohl kaum jemand nachgekommen.

Mit der Hoffnung, dass die Entzündung doch noch von selbst verschwinden würde, traten Vincent und ich mit fünfstündiger Verspätung unsere Hongkongreise an. Dieser Fehleinschätzung ist es zuzuschreiben, dass ich euch zunächst mehr vom Canossa-Krankenhaus zu berichten habe als von der Stadt selbst.

Blick aus dem fest verschlossenen Hotelzimmerfenster
Blick aus dem winzigen Hotelzimmer im 22. Stock - in Hongkong ist Wohnraum knapp

Kurz nach unserer Ankunft konnte Vincent mich nämlich dann doch davon überzeugen, dass meine Halsschwellung nicht ohne Weiteres abheilen würde, und wir machten uns auf den Weg ins benachbarte Krankenhaus. Für einen stolzen Preis wurde ich dort Zeuge einer unglaublichen Behandlung - innerhalb von zwei Stunden hatte ich zwei Ärztinnen gesehen, eine ausführliche Erklärung meines Leidens gehört, wenn auch nicht ganz verstanden, und eine kleinere ambulante Operation hinter mich gebracht, die mich trotz der Schmerzen doch wieder optimistisch stimmte. Dabei ließ die Freundlichkeit und Kompetenz der Ärztinnen und Krankenschwestern wirklich nichts zu wünschen übrig. Ich war glücklich und fest entschlossen, meinen Urlaub von jetzt an zu genießen.

Im Hong Kong Park
Hong Kong Park - eine Oase inmitten von Hochhausschluchten

Dies war nicht sehr schwierig: Schnell waren wir beeindruckt von dem Kontrast der hohen, eng beeinander liegenden Hochhäuser auf Hong Kong Island und angrenzenden Berge und Parkanlagen, stolz, dass das rege Treiben in Kowloon und die unzählbaren und unglaublich günstigen Angebote elektronischer Geräte uns nicht in den Kaufrausch trieben, entzückt über die Farbenpracht und Vielfalt an Pflanzen auf dem Blumen- und überrascht von der Eloquenz der Papageien auf dem Vogelmarkt.

Das geschäftige Kowloon
Straße in dem auf dem Festland gelegenen Kowloon

Trotz der Kenntnis der kolonialen Geschichte Hongkongs ließ mich auch der britisch-asiatische Flair der Stadt, die heutzutage den Status einer Sonderverwaltungszone hat, erstaunen: Die aus so unterschiedlichen Kulturen stammenden Menschen wirken freier oder besser internationaler als die Shanghaier, so dass man wahrhaft von Multikulti sprechen kann und es nicht verwunderlich ist, dass sie das Englische dem Mandarin-Chinesischen vorziehen (die Muttersprache von ca. 90% der Einwohner ist auch heute noch das Kantonesische); der Charme der zahlreichen Kneipen und Bars auf Hong Kong Island speist sich aus den britischen Einflüssen, ob moderner oder traditioneller Art; der Transport ist insofern einmalig, als dass neben doppelstöckigen Bussen und Trams auch die längste Rolltreppe der Welt zu bewundern ist, die sich über Hong Kong Island erstreckt. All dies lässt mich die Metropole besonders Asienanfängern wärmstens als Reiseziel ans Herz legen.

Ding Ding, die zweistöckige Tram auf Hongkong Island
Ding Ding, die zweistöckige Tram auf Hong Kong Island

Ein besonderes Erlebnis stellte der Besuch des nahe gelegenen Macaos dar: Als ehemals portugiesisch kolonialisierte Sonderverwaltungszone bietet das Weltkulturerbe neben europäischer und asiatischer Baukunst die größte Spielwiese für Erwachsene, die ich je gesehen habe. Natürlich versuchten auch wir unser Glück, im Spielcasino reich zu werden, allerdings nur zu Beginn vorsichtig: Statt mehrere hundert Macao Dollar wie die anderen Besucher setzten wir nur umgerechnet 60€ in Chips um, wobei der Mindesteinsatz bei 30€ liegt. Da wir die Kartenspiele auch nach längerem Zuschauen nicht begriffen, entschieden wir uns für ein Würfelspiel, bei dem nur zu bestimmen war, ob die Kombination aus den Augen zweier Würfel hoch oder niedrig sein würde. Nach anfänglichem Glück packte Vincent schnell der Übermut und wir verloren binnen Sekunden alles - Glück im Unglück, denn mir war das Spiel sowieso langweilig und den Kitzel, um Geld zu spielen, konnte ich noch nie nachvollziehen. Auf diese Weise räumten wir nach 10 Minuten das Feld und wir machten uns - ich mich glücklich, Vincent sich aufgeregt und enttäuscht - auf die Heimfahrt.

Macao bei Nacht, ein großes Spielzimmer
Die Spielkasinos von Macao bei Nacht

Natürlich hätte Hongkong noch so viel mehr zu bieten gehabt, vor allem was den Besuch Lantaus oder die vielen kleinen Inseln betrifft, die zum Wandern und Entspannen einladen, aber leider war die Zeit unserer Abreise wieder einmal viel zu schnell gekommen. Sicher ist, dass ich dieser faszinierenden Stadt gerne noch einen Besuch abstatten würde, hätte ich mehr Zeit in Asien. Da dies nicht der Fall ist, werde ich mich und müsst ihr euch mit diesen schönen Erinnerungen begnügen.

Am Ende meines Eintrags möchte ich euch mit ein wenig Verspätung ein frohes neues Jahr des Pferdes wünschen! Und glaubt mir, denn ich weiß es von Lena, einer chinesischen Freundin, es soll wie das Schweine- und das Drachenjahr ein besonders gutes Jahr werden!

Frohes neues Jahr des Pferdes!

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Sonntag, 6. Oktober 2013
Über den gelben Bergen bei den Urlaubszwergen
Wie die Chinesen ihren Urlaub in den National Holidays verbringen und dabei die Natur erleben, davon möchte ich euch heute berichten - denn Herz und Seele der Chinesen näher zu ergründen, war auch Ziel meines Urlaubs in diesen Herbstferien. Während der Großteil meiner Kollegen halb Asien mit dem Flugzeug bereist hat, haben Vincent und ich uns mit dem Zug auf Reise nach Huangshan (die gelben Berge) begeben, einem der laut Reiseführer zwei beliebtesten Reiseziele der Chinesen. Der Zeitpunkt hätte besser nicht gewählt sein können, da die National Holidays in China genau mit den Herbstferien der Deutschen Schule zusammenfallen. Und nun lasst euch in Kürze erzählen, was wir erfahren haben.

Welcome to China
Welcome to China - in der Old Street von Tunxi, einer Stadt nahe Huangshan

Obwohl wir die Hauptreisezeit mit ein wenig Glück umgangen haben - in China muss man die National Holidays eben am Wochenende vor- oder nacharbeiten - mussten wir feststellen, dass man hier am liebsten wohl im Pulk reist. Dazu benötigt werden weder Wanderschuhe noch Kletterausrüstung, denn alle Wege sind geteert und Bus wie Seilbahn transportieren den Abenteurer in windige Höhen, selbst wenn er in Highheels unterwegs sein sollte. Ein Reiseleiter jedoch, der per Megaphon Ansagen macht, deren Inhalt leider (oder glücklicherweise?) an uns vorbeigegangen ist, ist obligatorisch.

Wandern auf chinesisch

Vorsicht sei allerdings nicht nur beim Entziffern der Wegbeschilderung angeraten, sondern auch dann, sollte der Wanderer keine Übernachtung auf dem Gipfel des Berges planen, denn alle Hotels hier sind zu den National Holidays vollends ausgebucht und die letzte Seilbahn hinab sei um halb fünf zu nehmen. (Da dies halboffiziell ist, konnte ich nur SEHR KNAPP einem psychischen Zusammenbruch entgehen und mit dicken Tränen hinter der großen Sonnenbrille zu sportlichen Höchstleistungen auflaufen, um doch um viertel nach fünf noch die wirklich ALLERletzte Gondel zu besteigen - gelobt sei die chinesische Pünktlichkeit!)

Seilbahn hinauf zu den Gipfeln der Berge

Von einem Erholungsurlaub in einem Reisegebiet Chinas sei in punkto Ruhe demgemäß nicht zu viel zu erwarten: Egal wie naturverbunden das Hotel auch zu sein scheint, Wiederholungen ein- und derselben zwei Lieder aus den Lautsprechern der nahe gelegenen Touristeninformation oder das Ertönen von Autoalarmanlagen über Stunden hinweg stören den chinesischen Touristen nicht. Auch Staus jeglicher Art werden geduldig ignoriert - dank überall funktionierender Smartphones sind Leerlaufzeiten schnell und unterhaltsam überwunden.

Unser Hotel in Huangshan
Unser eigentlich recht idyllisches Hotel

Wenn man wie viele Chinesen gerne früh schlafen geht und überall und in jeder Körperhaltung sein Nickerchen machen kann, dann ist der Nachtzug das perfekte Transportmittel: Nach einer einstündigen Werbesendung über die Lautsprechanlage gehen um zehn Uhr sämtliche Lichter aus und alle verfallen in Tiefschlaf - bis etwa fünf Uhr morgens, wenn die Lichter wieder angeknipst werden und alle zur altbekannten Beredtsamkeit zurückkehren. Das Wichtigste ist doch, Zeit miteinander zu verbringen - und genau das haben wir in diesem Urlaub gelernt. Und so sei auch unsere Freundschaft, meine Lieben, auf den gelben Bergen besiegelt:

Romantik auf dem Gipfel

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Sonntag, 22. September 2013
Und wie alles kommt, ist doch anders
大家好 Dàjiā hǎo!



Ich beginne meinen Eintrag einmal wieder mit einem persönlichen Anliegen: Bitte verzeiht es mir, wenn ich eure Emails nicht immer unverzüglich (und manchmal vielleicht gar nicht) beantworte. Sie kommen alle bei mir an! Denn obwohl ich meine Emails nur selten am Computer lesen kann, ist dies aus mir unerfindlichen Gründen auf dem Handy meistens möglich. Auch wenn ich die Inkonsequenz dieses Landes und die Vorzüge eines Smartphones durchaus schätzen gelernt habe, fällt mir das Tippen auf dem Touch Screen noch immer schwer - verständlich für jemanden, der mit dem Zehnfingersystem zu schreiben gelernt hat.

(Und ja, ich weiß, ich bin nicht gerade die Verfechterin der deutschen Sprache schlechthin, aber beim Übersetzen der Fachbegriffe aus dem Bereich der Telekommunikation stoßen selbst Linguisten an ihre Grenzen, oder?)

Meine Aufgabe ist es deshalb auch diese Woche wieder, euch hier ein wenig von meinen Erlebnissen zu berichten, wobei insbesondere die öffentlichen Verkehrsmittel in China auf dem Programm stehen. Die erste Frage, die ihr stellen werdet, ob man in China Züge schnell und unkompliziert auch online buchen könne, ohne dass ein weiterer Schriftverkehr nötig wäre, in dessen Verlauf Zu- und Absagen sich abwechseln und man dann doch mit einer völlig anderen, wenig komfortablen Alternative abgespeist würde, ist klar zu verneinen, sofern man kein hartnäckiger, mit der Verhandlungskunst vertrauter Chinese ist. Die zweite eurer Fragen, ob man in einem chinesischen Ticketbüro denn Fahrkarten vorbuchen könne, auch, insbesondere dann, wenn man sich nach den angegebenen Öffnungszeiten richtet und nicht länger als eine Freistunde lang Zeit hat, um in der Schlange zu stehen. Als Alternative möchte ich euch heute Folgendes vorstellen:

Vor dem Fahrkartenschalter

Man gehe also zu einem Fahrkartenschalter am Bahnhof und warte dort etwa eine Stunde lang, um eine Fahrkarte für den über- (oder überüber-) nächsten Zug zu ergattern. Man bringe bitte ein wenig Einfühlungsvermögen für diejenigen mit, die es doch eiliger haben und sich deshalb von der Seite in die Schlange drängeln müssen - sie meinen es sicher nicht böse, haben aber auch zu wenig Zeit für Erklärungen. An Regentagen wie heute stelle man sich darauf ein, dass alle Züge innerhalb der nächsten drei Stunden ausverkauft sein könnten, oder man buche einen Stehplatz auf dem Gang eines regionalbahnähnlichen Zuges, in dem dem Fahrgast von älteren Mitfahrern ein Stückchen ihres eigenen Sitzplatzes oder eine Zehnerpackung Zahnbürsten zum Sonderpreis angeboten wird :) (In letzterem Falle sei dem europäischen Fahrgast weniger der Kauf von Zahnbürsten oder Würstchen, sondern die Mitnahme von Kopfhörern oder Ohrstöpseln der Stärke 10 nahegelegt.) Dann steht einer entspannten Reise nichts mehr im Wege!

...im stroemenden Regen

In einer von Marco Polo und vielen Reiseführern überschätzten Wasserstadt wie Suzhou (dem "Venedig des Ostens") sei dem Besucher bei sintflutartigen Regenfällen das Taxi als Transportmittel empfohlen (hier hinkt der Vergleich bereits). Ein wenig Geduld ist hier ratsam, besonders wenn etliche freie Taxis an dem unerwünschten und unverstandenen europäischen Fahrgast vorbeifahren. Ein paar Nette gibt es allemal, die sich dann auch unerhört freuen können, wenn sie den Fahrgast nach achtmaliger Wiederholung des Wortes für Bahnhof endlich verstanden haben. (Und ja, ich VERSUCHE noch immer in Sätzen zu kommunizieren!)

Interessant ist für den Chinareisenden sicherlich auch eine Bootsfahrt in Suzhou, wie einem bekannten Reiseführer zu entnehmen. Nach einer HALBEN Rundfahrt mit Blick auf Attraktionen der Stadt, die unbeleuchtete und einfach nachgebaute Stadtmauer auf der einen und das neue Carrefour auf der anderen Seite, beginnt das Unterhaltungsprogramm: Nach Einschalten des Lichtes werden chinesische Liedchen eher treffsicher und Sätze aus dem Suzhouer Dialekt von dem chinesischen Publikum glücklich nachgeträllert, bevor das umfangreiche Werbeprogramm beginnt und noch genügend Zeit besteht, ein paar Bilder von der vorher verpassten Attraktion Stadtmauer zu schießen.

Showeinlage auf der Bootsfahrt in Suzhou

(Die Namenswahl des Reiseführers, frei übersetzt "Einsamer Planet", wird an dieser Stelle zumindest für den Europäer nachvollziehbar.)

Mein Auftrag als eure Gesandte ist es natürlich, euch ab und zu auch schöne Geschichten zu überliefern. Heute besonders interessant: Wie heiratet man eigentlich im schönen Suzhou bei strömendem Regen? Die Tradition besagt, dass die Hochzeitsgesellschaft sich auch bei schlechtem Wetter zunächst vor und im Haus der Braut versammle. Die Seite des Bräutigams versuche die Eingangstür zum Vorhof des Hauses aufzubrechen, während die Brautangehörigen mit aller Macht die Festung zu schützen haben. Sollten mehrere Versuche fehlschlagen, hilft nur geballte Gewalt! Nach Eindringen in den Vorhof ist das Haus zu erstürmen und die Braut im obersten Stockwerk aus den Fangen ihrer Familie zu befreien. Sollte dies alles gelingen, sind alle glücklich und die Party kann beginnen!

Da ich euch nicht weiter vom Genießen eurer eigenen Freizeit ablenken will, erspare ich mir heute Ausführungen zum chinesischen Mondfest und sende euch feucht-fröhliche Grüße aus dem alten und lieb gewonnenen Shanghai!

Schaetzchen im naechtlichen Suzhou

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Letzte Aktualisierung: 2015.08.12, 02:06
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