Einmal Shanghai und zurück
Sonntag, 11. Januar 2015
Kulinarisches aus Ostasien
Dass in China alles anders sei und man sich von nichts und niemandem überraschen lassen solle, das bekommt wohl jeder Neuankömmling zu hören. Eine besonders leckere Kuriosität stellt für mich das hiesige Essen dar, und so ist es mir zur Angewohnheit geworden, wie viele Chinesen jedes Wochenende mindestens ein Mal eines der zahlreichen Restaurants in Shanghai aufzusuchen und mich den diversen Gaumenfreuden hinzugeben. Natürlich halte ich mich stets an die chinesische Faustregel, möglichst Restaurants zu frequentieren, in denen schon viele andere Gäste speisen, auch wenn man sich dann während der halbstündigen Wartezeit auf einem Stuhl vor der Lokalität seinen Speiseplan vorab zusammenstellen muss. Glücklicherweise dauert es am Platz dann nicht lange, bis sämtliche Gerichte auf dem Tisch stehen.


Die Biangmian, von denen ich euch schon berichtet habe

Diese Woche begab ich mich während unserer Mittagspause mit Kelly extra in das Restaurant, in dem ich die Biang-Nudeln entdeckt hatte, und kann euch so das Bild zu meinem früheren Blogeintrag nachliefern. Ich musste feststellen, dass es eine besondere Kunst ist, die glitschigen Riesennudeln mit Stäbchen aus der Suppe in die Schale mit der roten Tomatensoße und dann in den Mund zu bugsieren, und war am Ende sehr froh, an diesem Tag in Schwarz gekleidet gewesen zu sein. Zu meiner Überraschung schien das Gericht trotz seines fleischigen Namens ganz vegetarisch zu sein. Bei dem Gemüse handelt es sich übrigens um Pak Choi, einen Verwandten des Chinakohls, dem man hier sehr häufig begegnet.

Neben den vielen Nudelgerichten erfreuen sich auch Hotpot-Restaurants großer Beliebtheit. Auf eine im Tisch integrierte Feuerstelle (oft eine Herdplatte) wird ein großer Kochtopf mit der Basissuppe gestellt. Bei der Pekinger Variante werden Kohlen in das gusseiserne Gefäß gefüllt, die dann die Suppe am Rand und mitunter die Gesichter der hungrig Wartenden erhitzen.


Die Pekinger Hotpot-Variante

Alle weiteren Zutaten werden nun nacheinander in die Suppe gegeben, die wären: viel Petersilie und Knoblauch, Fleisch oder Fisch, Gemüse, Pilze, Tofu und schließlich - falls man noch Platz in seinem Magen finden sollte - Nudeln. Wenn, wie so häufig in Hotpot-Restaurants, weder Bilder noch eine englische Übersetzung auf der Speisekarte angegeben sind, wird die Auswahl zum Lottospiel, und ich wüsste heute noch gerne, was Vincent und ich damals bei unserem ersten Besuch eigentlich in unserer Suppe gekocht haben. Hund wird es sicher nicht gewesen sein.

Auch von meinem heutigen Abend, an dem ich mit Hye Yeong, einer chinesisch-koreanischen Freundin, in einem meiner Lieblingsrestaurants, dem Sichuan Citizen, essen war, habe ich euch ein Bild mitgebracht. Die Chuan-Küche bezeichnet eine von ca. acht großen regionalen Kochtraditionen und ist insbesondere an ihrer Schärfe (Vorsicht Chili!) zu erkennen. Während ich in einem Sichuan- oder Hunan-Restaurant meistens eine Packung Taschentücher verbrauche, verdrücken meine chinesischen Freunde selbst beim Verspeisen der puren Chilisauce keine einzige Träne, es sei denn eine der Freude. Selbstverständlich werden die vielen Gerichte gemeinsam vertilgt und ist das Konzept eines mit Essen vollgeladenen, eigenen Tellers den Menschen hier fremd. Die Angst, nicht genug abzubekommen, ist wirklich unbegründet, wenn man bedenkt, dass immer mindestens zwei Speisen mehr auf den Tisch kommen, als Menschen daran Platz nehmen. Neuerdings bieten es nun viele Restaurants auch an, die Reste mit nach Hause zu nehmen, um der hier üblichen Lebensmittelverschwendung entgegen zu wirken. An meinem Tisch kommt das natürlich selten vor.


Von links nach rechts: Fisch mit Sojasprossen in Chilisoße, Mapo Tofu (Weichtofu in einer Tomaten-Fleischsoße), chinesischer Wasserspinat - eigentlich bringt der Verzehr einer ungeraden Anzahl an Speisen Pech!

Dass es so romantisch wie im Sichuan Citizen nicht überall zugeht, da man das Abendmahl normalerweise bei Neonlicht genießt, beweise ich euch in einem meiner nächsten Blogeinträge. Es gilt abzuwarten, ob ich dann einmal wieder Spezialitäten wie Froschschenkel, Hühnerfüße oder Eingeweide vorgesetzt bekommen werde. Viele Grüße aus Ostasien sendet eure ausnahmsweise unterbeschäftigte Bloggerin!

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Hurra, ein ganzer Beitrag nur über Essen!!!

Ich hoffe ja insgeheim, dass Du Dir bei all Deinen kulinarischen Experimenten fleissig Notizen machst und als versierte Expertin zrückkommst und mich dann regelmäßig beglückst mit Nachgekochten (allerdings schreckt mich die Sache mit der Schärfe und den Hühnerfüßen doch ein wenig).

Die Hot Pots - stelle ich mir das wie ein Fondue oder eher wie eine am Tisch selbst zubereitete Suppe vor?

Und was hat es damit auf sich, nur in die Restaurants zu gehen, die schon voll sind? Ist das eine Vorsichtsmaßnahme dafür, auch wirklich ein gutes zu erwischen (und wenn ja, würde es ein volles ohne Schlange davor auch tun?)?

Ist das im Übrigen ein Bierglas, was ich dort auf dem Foto erspähe? Wie ist denn eigentlich chinesisches Bier? Und was ist mit der Legende, dass Asiaten Alkohol schlecht vertragen, weil ihnen irgendein Enzym dafür fehlt?

Wenn ich hier in den Asia Supermarkt unten an der Hauptstraße gehe mit seinem doch wirklich breiten Angebot gerade an frischem Gemüse, scheitere ich ja immer schon daran, dass ich mir nicht sicher bin, welches eigentlich der essbare Teil ist und wie man diesen zubereiten sollte (quasi so, wie wenn man ein Bund Möhren vor sich hat und nicht weiß, ob das grüne Zeug oben eigentlich zum Mitessen gedacht ist, oder ob Salat eine Art Kohl ist, den man erst einmal kochen muss). Ich erhoffe mir auch in der Hinsicht zukünftig Großes von Dir.

Und wie kommt's, dass Du unterbeschäftigt bist? (Was mich im Übrigen sehr für Dich freut). Ich wünsche mir auch, demnächst mal NICHT zu viel zu tun zu haben, da ich ja - seit Oktober!!! - den Job von zwei Sekretärinnen mache, und erst am Donnerstag eine weitere Bewerberin (die wir SOFORT zu jedem Preis eingestellt hätten, solange sie nur gleich nächsten Montag anfängt!) "mit einem großen P in den Augen die Flucht ergriffen hat", wie mein Chef sich ausdrückte. Wäre ihr alles zu stressig. Ts!

Ich hoffe jedenfalls, dass Du ein wunderbares Wochenende genossen hast, und die kommende Woche ebenfalls so wenig beschäftigt bist, ganz viel Zeit aufs Bloggen verwenden zu können! Ganz viele liebe Grüße
Deine sandra

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Oh ja, gerne würde ich einmal asiatisch für dich kochen! Das wäre ja auch ein Grund, vielleicht doch noch einen Kurs hier zu machen, denn bisher kann ich nur sehr leichte Gerichte improvisieren. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die chinesische Küche im Grunde sehr einfach ist und das schnell gelernt sein sollte.

Hotpots sind tatsächlich Suppen, in denen Gemüse, Fleisch etc. gekocht wird. Seltsamerweise isst man die Suppe dabei aber nicht, sondern nur das darin Zubereitete.

Natürlich kann man auch in Restaurants gehen, die einfach voll sind, ohne dafür anstehen zu müssen. Eine leere Gaststätte ist einfach kein Zeichen für gutes Essen. Eine Freundin erzählte mir einmal, dass das in China schon lange Tradition und vielleicht damit zu tun habe, dass man früher vorsichtig sein musste, sich keine Lebensmittelvergiftung zuzuziehen. Umso mehr Menschen schon von dem Essen probiert hatten, desto unwahrscheinlicher wurde das. Ob das so viel Sinn macht, sei dahingestellt, denn gewöhnlicherweise bemerkt man eine Gastro ja nicht so schnell.

Das Bier hier ist eher dünn, weil nicht nach deutschem Reinheitsgebot gebraut. Lustigerweise wurde das Tsingtao, das hier alle trinken, aber tatsächlich zuerst in einer deutschen Brauerei in China produziert. Mittlerweile ist das Bier aber dem empfindlichen Magen hier so angepasst, dass es nur noch 2 bis 3 Promille hat und ein wenig wie Sprudelwasser mit Zitrone schmeckt. Erfrischend ist es aber auf jeden Fall!

Die meisten Chinesinnen, die ich hier kennengelernt habe, trinken keinen oder nur sehr wenig Alkohol, weil sie ihn tatsächlich nicht gut vertragen und sofort beschwipst sind. Wie das nun biologisch zu erklären ist, weiß ich nicht, die Theorie mit dem Enzym wurde mir aber schon öfter unterbreitet. In den Restaurants sieht man schon auch viele Männer, die Alkohol trinken, Bier oder Baijiu (einen hellen Schnaps).

Nun hoffe ich, dass du bald wieder eine Gehilfin bekommst ! So kann das ja nicht weitergehen... Bei mir geht's ab nächster Woche dann auch wieder rund, denn die Halbjahreszeugnisse sind verteilt und wir starten neu durch! Bis bald!

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