Einmal Shanghai und zurück
Montag, 6. Oktober 2014
Guilin von ungefähr
Liebe Chinaexperten und -expertinnen,
wenn ich mir überlege, auf wie viele Abenteuer ihr alten Hasen euch nun schon mit mir eingelassen habt, dann frage ich mich, womit ich euch noch unterhalten oder überraschen könnte. Und ihr habt recht, jetzt wäre doch der Zeitpunkt gewesen, einmal das bekannte Terrain zu verlassen und euch mehr über das asiatische Umland zu berichten, aber ihr vermutet richtig, auch diesen Urlaub verbrachten Vincent und ich in der großen Volksrepublik China und nicht wie eigentlich geplant auf Okinawa, denn unser Reiseziel hieß Guilin und liegt wie der Yunnan südlich von Shanghai. Aber ja, Guilin ist eine Reise wert! Das sagen nicht nur diverse Chinakenner, sondern auch Andra, deren Heimat hier ist und die unsere Reise in ganzen fünf Minuten plante (und sie vermutlich in weniger wieder vergaß ;-).

Blick auf den Lijiang vom Lao Zhai Shan
Leider der falsche Winkel, sonst könntet ihr das Motiv der 20 RMB-Scheine wiedererkennen.

In Guilin angekommen, fiel mir nicht nur auf, dass eine Reise in diesem Land doch mehr Vorbereitungszeit bedarf als fünf Minuten, sondern auch, dass die Bewohner Guangxis mit Touristen so verwöhnt sind, dass sie nicht einmal Fragen beantworten wollen, wenn sie auf dem bestmöglichen Mandarinchinesisch (oder auch pǔtōnghuà) gestellt werden. Wir lernten schnell, dass hier nur Geld hilft, und griffen auf Rikscha, Fahrer und Reisegruppen zurück, um mit unserem Programm nicht allzu sehr in Verzug zu kommen.



Die Hauptstadt Guilin konnte uns nicht so recht begeistern, was nicht nur an Urtes Party lag, auf der ich bis in die Nacht hinein Verstecken mit ihr spielte (vgl. Hide Dance) und über ihre Couch hüpfte (was selbstverständlich nur Erwachsene dürfen!), sondern auch daran, dass selbst interessantere Sehenswürdigkeiten nur über Eintrittskarten zugänglich und sonst durch künstlich angepflanzte Palmen gewinnbringend verdeckt waren. Wie von unseren Urlaubsplanern empfohlen, bestiegen wir am nächsten Tag dann den Dampfer nach Yangshuo, waren mit diesem Plan aber wohl nicht die einzigen:






Auf dem Fluss Li (Lijiang)

In dem unter Chinareisenden zurecht sehr beliebten Yangshuo wurden wir glücklicherweise dann Zeuge der sonnigen Seite der Provinz. Nicht nur konnten wir die von uns so geschätzte Mango in den vielseitigsten Variationen genießen - sehr lecker zum Beispiel mit Eis und Reisklößchen -, auch die thematisch zwar auf die Herkunft und meine umfangreichen Chinesischkenntnisse beschränkten, aber unterhaltsamen Plausche mit einheimischen Parkbesuchern stimmten uns sehr fröhlich. Auf diese Weise zu Größerem animiert, erklommen wir dann sogar bei 32 Grad Mittagshitze die über 1000 Stufen des Lao Zhai, Mönch oder Phallus im Vergleich, in der Nähe des Fischerdorfes Xing Ping, um auf der kleinen Plattform auf der Spitze von einer einsamen Chinesin ein Bild von uns schießen zu lassen, auf dem das auffälligste nicht das schöne Landschaftspanorama ist, sondern die schweißbefleckte Kleidung. Ihr sucht dieses vergeblich im Bildordner.


Eine Touristenstraße in Yangshuo

Der letzte Teil unserer Reise zu den Reisterrassen von Longji war geprägt durch das "chàbùduō" (ungefähr), das einzige Wort, das ich in Guilin dazulernte. Aber wozu sich beschweren, wenn es im Nachhinein keinen großen Unterschied macht, dass sich Longji als riesiger Landschaftspark entpuppte, für dessen Zugang man natürlich Eintritt zahlen musste, das Programm den englischsprachigen Reisegästen bis zum Ende unklar blieb, der Sonnenaufgang trotz nachtschlafender Uhrzeit nicht zu beobachten war, die großartige Wanderung durch die Reisfelder sechs statt vier Stunden dauerte, der gefüllte Tofu ungefüllt, das Hühnchen als Fisch auf den Tisch kamen und die Rückfahrt zum Guiliner Flughafen viereinhalb statt zwei Stunden in Anspruch nahm, weil die chinesischen Mitfahrer vom Reiseleiter zunächst nicht aufzutreiben und der Straßenverkehr der Golden Week, in der alle Chinesen gleichzeitig Urlaub haben, dann nicht einmal durch ausdauerndes Hupen zu überwinden war. Schließlich profitiere ich noch heute von den Spuren, die diese Reise bei mir hinterlassen hat, und bekomme fast täglich Komplimente für meinen ungewöhnlich dunklen Teint.


Die Reisterrassen von Longsheng

Das Zirpen der Zikaden und die hemmungslosen Hornsignale der Autofahrer noch im Ohr, lasse ich nun dieses Paradies endgültig hinter mir und tauche wieder ein in die hektische Welt des großen Shanghais, deren Töne sich nicht grundsätzlich unterscheiden von denen meiner Erinnerung. Es grüßt euch eure urlaubsgejetlagte Chinaexpertin!

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Golden Week, haha
Hmmm, gefüllter ungefüllter Tofu mit Hühnchen-Fisch :) Klingt super.
Die Reisterassen sehen unglaublich schön aus, diese Straße in Yangshuo auch.
32 Grad? Toll! Das klingt nach nem tollen Urlaub!
Viele Grüße von Karo

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Liebe Kristin,

allein schon das Foto von den Reisterrassen ist ja mal der Hammer. Wie ist das eigentlich mit dem Reis? Ich nehme mal an, er wird in Terrassen angebaut und nicht einfach so (wie bei uns die Weinberge einfach so am Hügel), damit er im Wasser stehen kann, ja? Aber woher kommt das Wasser? Was für eine Meisterleistung ist das Anlegen dieser Terrassen, und wie lang kultiviert man den Reis schon so in China? Und wie um Himmels Willen erntet man den? Die Terrasse als solche scheint mir Erntemaschinen, wie sie bei uns im Einsatz sind, eher unzugänglich. Konntet Ihr da Näheres erfahren von den Guides?

Die Fotos haben mir außerdem Urlaubsdiskussionen mit Marko über Endmoränen etc. in Erinnerung gerufen, denn auf vielen Fotos sieht man so einzeln in der Gegend rumstehende, riesige Felsbrocken - was ist das? Wie kommen die dahin?

Außerdem: wenn man mehr als doppelt so viel Zeit zum Flughafen braucht wie angenommen - kriegt man dann den Flieger überhaupt noch?

Und wie ist es - abgesehen von den Enttäuschungen - mit den regionalen Unterschieden in der cuisine? Oder ist Shanghai so metropolitan, dass es dort eh alles gibt und Du das alles schon kennst?

Ich grüße und drücke Dich!
Deine sandra

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