Einmal Shanghai und zurück
Samstag, 12. Oktober 2013
Erster Wetterbericht oder Wie man einen Taifun bei schlechter Bausubstanz übersteht
Diese Woche nun war es endlich so weit - der erste Taifun (oder besser dessen Ausläufer) kam an Shanghai vorbeigewirbelt. Katastrophale Schäden richtete er trotz alarmierender Ankündigung durch die Regierung als ein Taifun der Stärke 5 nun wirklich in Shanghai nicht an, sondern beschränkte sich ganz brav auf die Überschwemmung des naheliegenden Shenzhens, führte so leider aber auch zu keinerlei Unterrichtsausfall, obwohl ich als Schulleiterin den sicher angeordnet hätte. Hört euch aber selbst an, wie ich zu dieser Entscheidung gekommen wäre.

Nach dem Aufwachen am Dienstag um 5:45 Uhr (!) schaltete ich noch vor dem allmorgendlichen Duschgang meinen Computer an, in freudiger Erwartung, auf der Homepage der Schule die Nachricht über den Unterrichtsausfall zu entdecken. Die Wetterlage war schon am Abend zuvor vielversprechend gewesen, seht nur, wie es vor meinem Badezimmer wütete:

Hier die Vorzeichen des ersten Taifunauslaeufers in Shanghai
Info: Der Himmel ist grau vom Regensturm

Aber leider nichts. Ich machte mich also auf den Weg in die Schule. Da ich vor meiner Haustür nur ins Taxi springen musste, das ich an den frühen Schultagen mit drei Arbeitskolleginnen teile, konnte ich hier größeren Wasserschäden knapp entrinnen. In der Schule angekommen, schien abgesehen von kleineren Überflutungen am Rande des Geländes das Gebäude in einwandfreiem Zustand und zugänglich zu sein. (Am Tag der Sekundarstufenparty vor drei Wochen war das gesamte Gelände geflutet und die Schüler mussten zu Hause bleiben). Wir legten also unsere Hoffnungen auf einen schulfreien Tag ad acta und begannen mit dem Unterricht. Von den Schülern meiner sechsten Klasse hatten es fast alle mehr oder weniger trocken in die Schule geschafft. Während wir also an einer Luftschlange für das Klassenzimmer bastelten (und nein, wir amüsieren uns nicht die ganze Zeit sinnlos, die Bastelarbeit diente einem größeren Zweck, nämlich dem Verfassen einer Vorgangsbeschreibung), prasselte und donnerte der Regen mit einiger Wucht gegen die Fensterscheiben. Und es kam, wie es kommen musste: Nach nur 20 Minuten saß mein erster Schüler in einer Pfütze und waren die Kabel von Visualiser und Smartboard allesamt Teil eines hübsch potentiell elektrisch geladenen Konglomerats. Meine in panischen Schwitzanfällen mündende Aufregung teilte zu meiner Überraschung niemand so recht: Meine wie jeher untätige Praktikantin ließ sich nur missmutig auf den Vorschlag ein, doch nach Hilfe zu suchen, die Schüler freuten sich über ein wenig Ablenkung und stapften immer wieder "zufällig" durch die sich stetig vergrößernde Lache auf dem Boden, und auch sonst reagierte zunächst niemand im Haus auf meine immer lauter werdenden Hilferufe (hier metaphorisch gemeint :). Schließlich erbarmte sich eine der netten Ayis dazu, mit einem Putzwedel der Vergrößerung der sich in kleine Teiche verwandelnden Wasseransammlungen entgegenzuwirken. To cut a long story short, natürlich wurde bis 15:20 Uhr weiter unterrichtet, wenig repariert, aber viel gewischt, und noch heute hing eine Platte an der Decke meines Klassenraumes durch, die jederzeit (laut Verwaltungsleiter) auf die Kinder hätte herabbrechen können. Dagegen getan hat noch keiner etwas, außer mir natürlich, die zwei Tische darunterstellte und die Kinder auf eine andere Seite des Raumes verfrachtete. Mit meinem Sicherheitsbedürfnis fühlte ich mich einmal wieder richtig deutsch :)

Glücklicherweise hielt sich zu Hause die Aufregung in Grenzen: Außer einem kleinen Rinnsal, das am Küchenschrank herabtropfte, und einem größeren Wasserfleck auf meinem Wintergarten, den ich erst heute bemerkte, ist die Shanghaier Altbauwohnung doch sturm- und wasserfester als gedacht. Sowieso ist Sorge hier wenig angebracht, denn in sämtlichen Ecken befinden sich, wie ihr wisst, Abflüsse, die das Wasser zur Not auch auf den Balkon meiner freundlichen Nachbarinnen abfließen lassen. Ich hier oben bin also auf sicherer Höhe!

Und aus der Naehe sah der Taifun dann so aus..

Ab Mittwoch ließ sich dann die Sonne wieder blicken und war erneut verantwortlich für eine gefühlte Temperatur von 30 Grad (als ob der Angstschweiß nicht ausreichend wäre). Genießt ihr also euer angenehm kühleres Wochenende!

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Letzte Aktualisierung: 2015.08.12, 02:06
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